Geschichte von Mykene

MYKENE
Aufstieg und Niedergang der goldenen Stadt

Der Sage nach wurde Mykene, die „wohlgebaute, breitstraßige, goldreiche“ Stadt der homerischen Epen, von Perseus, einem der berühmtesten Heroen in der griechischen Mythologie, gegründet. Dies nachzuweisen wird allerdings schwer sein. Die Archäologie kann aber bestätigen, dass die Stadt, die sich in einer beherrschenden Lage im „Winkel des rossenährenden Argos“ befindet, schon seit der Jungsteinzeit kontinuierlich bewohnt war. Unbestreitbar ist auch, dass der Platz, den die Mykener für ihre Stadtgründung ausgesucht haben, mit Bedacht gewählt wurde. Der zwischen zwei steilen Bergen liegende Burghügel ist niedrig, zugleich aber schwer zugänglich. Außerdem ist er von Weitem zwischen den ihn umgebenden Bergmassiven nicht leicht zu erkennen. Mykene liegt auch an wichtigen Verkehrsadern und profitiert davon, dass es am Rande der äußerst fruchtbaren Ebene der Landschaft Argolis liegt und zudem nur 15 km von Meer entfernt ist. 
Man nimmt an, dass um 2000 v. Chr. der Siedlungshügel, auf dem zunächst nichteuropäische Einwohner lebten, von indoeuropäischen Achaiern in Beschlag genommen wurde. Damals beschränkte sich die Stadt auf den höher gelegenen Teil des Hügels. Am Südwestabhang des Burghügels befand sich eine ausgedehnte Nekropole. Die ersten dort gefundenen Bestattungen in Gruben oder Steinkistengräbern stammen aus dem 18. vorchristlichen Jahrhundert. Zu diesem Friedhof gehörten auch der Gräberkreis B und der Gräberkreis A, die vom 17. bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts v. Chr. in Verwendung waren. Die Nutzung des Gräberkreises B beginnt um 1650 v. Chr. Etwas später löste der durch die von H. Schliemann durchgeführten Grabungen berühmt gewordene Gräberkreis A den älteren Gräberkreis B als Friedhof für die Herrscherschicht ab. Die dort gemachten überaus reichen Funde (z.B. die „Goldmaske des Agamemnon“) stammen aus der Mitte des 16. Jahrhunderts v. Chr. und legen den Schluss nahe, dass es zu dieser Zeit einen Palast gegeben haben muss, der durch spätere Bebauungen zerstört wurde.

Der Gräberkreis B war etwa von 1650 bis 1550 v. Chr. in Verwendung. Er wurde zugunsten des etwas weiter oben gelegenen Gräberkreises A als Bestattungsort für die Herrscherschicht aufgegeben. © Bild: Wikimedia Commons

Mykene Gräberkreis A

Der Gräberkreis A folgte im 16. Jahrhundert v. Chr. auf Gräberkreis B. Dort fand man die berühmten Schachtgräber mit den besonders reichen Grabbeigaben. Dieser Friedhof, der die Gräber der Herrscherfamilie enthielt, wurde schließlich zugunsten der Tholosgräber aufgegeben.

Um 1500 v. Chr. ging man dann dazu über, die Mitglieder der herrschenden Schicht in Tholosgräbern, die entweder in einen vorhandenen Hügel hineingebaut oder nach der Errichtung einer Kuppel („falsches Gewölbe“) mit einem künstlichen Hügel (Tumulus) bedeckt wurden, zu begraben.

Das Grab von Epano Phournos, das man am westlichen Abhang des Panagitsa-Hügels etwa einen halben Kilometer westlich der Akropolis von Mykene fand, wurde um 1500 v. Chr. errichtet. Es zählt somit zu den ältesten Tholosgräbern von Mykene. © Bild: Wikimedia Commons

Auch das sog. Kyklopengrab gehört zu den ältesten Tholosgräbern von Mykene. © Bild: Wikimedia Commons

Mykene Grab des Aigisthos

Das sog. Grab des Aigisthos, das sich etwa 80 Meter westlich des Löwentors befindet, stammt ebenfalls aus dieser Zeit. Benannt wurde das Grab übrigens nach Aigisthos, dem Geliebten der Klytaimnestra.

In die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts v. Chr. können folgende Gräber datiert werden: das Grab von Kato Phournos, das Löwengrab und das Panagia-Grab.

Das am westlichen Abhang des Panagitsa Hügels gefundene Grab von Kato Phournos wurde zwischen 1460 und 1400 errichtet. © Bild: Wikimedia Commons

Löwengrab Mykene

Das Löwengrab, das nach dem sich in unmittelbarer Nähe befindlichen Löwentor benannt wurde, stammt aus der Zeit um 1450 v. Chr.

Das sog. Panagia-Grab stammt ebenfalls aus dieser Zeit. © Bild: Wikimedia Commons

In der Mitte des 14. Jahrhunderts v. Chr. erhielt Mykene seinen ersten Befestigungsring. Die Fläche, die von dieser Kyklopenmauer umschlossen wurde, umfasste den nördlichen Vorsprung des Hügels. Der Gräberkreis A war noch nicht einbezogen. Das Haupttor befand sich etwas nördlich von der Stelle, an der in späterer Zeit das Löwentor errichtet wurde. Es hatte die Gestalt einer einfachen Öffnung zwischen den beiden Mauerschenkeln. Wie sich durch wenige Reste nachweisen lässt, hat sich in dieser Siedlung auch ein Palast befunden, über den aber wegen der Aufschüttungen und Planierungen, die durch die Errichtung des rund ein Jahrhundert später gebauten monumentalen Palastes notwendig waren, wenig gesagt werden kann.


In der Zeit der größten Blüte von Mykene (Mitte des 13. Jahrhunderts v. Chr.) schuf ein mächtiger Herrscher, der anscheinend auch mit dem „Schatzhaus des Atreus“ in Verbindung zu bringen ist, eine Reihe monumentaler Werke. Damals wurde das Löwentor mit seiner Bastion wie auch die Südmauer, die die Gräber der Vorfahren, den Gräberkreis A, miteinschloss, errichtet. Ebenso wurden die Südostbastion und das Nordtor gebaut und die große Rampe angelegt, die zum Palast führt. Dieser Palast, dessen spärliche Überreste man heute vorfindet, wurde auf dem Vorgängerbau aus der Zeit um 1350 v. Chr. errichtet. Einige der wenigen Häuser (z.B. das Haus der Schilde, das Haus des Ölhändlers), die man außerhalb der kyklopischen Mauer bislang ausgegraben hat, stammen aus der gleichen Zeit. 

Löwentor Mykene

Das berühmte Löwentor, die älteste monumentale Bauskulptur Europas, wurde um die Mitte des 13. Jahrhunderts v. Chr. errichtet. 

Nordtor Mykene

Das Nordtor wurde nach einem ähnlichen Plan und auch zeitgleich mit dem Löwentor gebaut. 

Palastkomplex Mykene

Der Palastkomplex, der auf den Überresten eines Vorgängerbaus aus dem 14. Jahrhundert errichtet wurde, stammt aus der Mitte des 13. Jahrhunderts v. Chr. Er erstreckt sich auf zwei aufeinander folgenden Terrassen, auf die man über verschiedene Zugänge geführt wird. Die Terrassen sind mit Stützmauern aus kyklopischem Mauerwerk eingefasst. 

Schatzhaus des Atreus

Das Schatzhaus des Atreus , das glänzendste Monument der mykenischen Grabarchitektur, befindet sich am Ostabhang des Panagitsa-Hügels. Dieser unterirdische Tholosbau wurde zur selben Zeit wie das Löwentor errichtet.

Das Grab der Genien ist, wie das Schatzhaus des Atreus, noch komplett erhalten. Das um 1300 v. Chr. errichtete Tholosgrab liegt etwa 600 m westlich der Oberburg von Mykene. © Bild: Wikimedia Commons

Grab der Klytaimnestra Mykene

Das Grab der Klytaimnestra ist das jüngste Tholosgrab von Mykene. Es wurde wohl um 1220 v. Chr. errichtet.

In der letzten Bauphase (um 1200 v. Chr.) wurde die Zitadelle nochmals erweitert. Im Nordosten wurde die Anlage ausgeweitet. Innerhalb der Mauern legte man eine unterirdische Zisterne an, die die Wasserversorgung sichern sollte. Diese Maßnahmen legen den Schluss nahe, dass sich die Mykener um 1200 v. Chr. vermehrt um ihren Schutz und ihre Verpflegung sorgten.

Zisterne Mykene

Die unterirdische Zisterne ist eine der größten technologischen Leistungen der Mykener. Sie wurde in einer Felsspalte in einer Tiefe von 18 m angelegt und besteht aus einem Schacht, in dem ein Tunnel endet, der Wasser aus einer Quelle außerhalb der Stadt heranführte.

Nach zwei Jahrhunderten uneingeschränkter Vorherrschaft und großer Blüte setzte dann aber ab 1200 v. Chr. zunehmend der Verfall ein. In dieser Zeit wurde der Palast sowie auch viele andere Bauten in der Anlage zerstört. Ob durch einen Brand oder durch den Angriff der Seevölker bleibt ungewiss. In der Folge wurde jedenfalls der Palast nicht mehr genutzt. Es wurden aber viele Gebäude wieder repariert. Das Kultzentrum blieb bis 1100 v. Chr. in Gebrauch.


Mykene blieb dennoch weiter bewohnt. Auf den Ruinen des Palastes wurden einige Gebäude errichtet, die später ebenfalls zerstört wurden. Ein der Hera oder der Athena geweihter Tempel auf dem Gipfel des Hügels sowie einige kleinere Heiligtümer können in diese Zeit datiert werden.  Mykene nimmt an dem Krieg gegen die Perser teil. Dies provozierte die Eifersucht der Einwohner der Stadt Argos, die schließlich 468 v. Chr. die Stadt erneut zerstörten. Die Argiver gründeten in hellenistischer Zeit in Mykene eine neue Siedlung. Sie reparierten die Mauern und errichteten zahlreiche neue Gebäude auf den Resten der mykenischen Burg. Außerhalb der Burg wurde auf dem Dromos des Tholosgrabes der Klytaimnestra ein kleines Theater gebaut. 

Untere Sitzreihe des hellenistischen Theaters von Mykene über dem Dromos des Grabes der Klytaimnestra. © Bild: Wikimedia Commons

Danach wurde der Ort nur kurzzeitig neu besiedelt. Nach dem 2. Jahrhundert v. Chr. wird Mykene dann allerdings endgültig verlassen.


BILDNACHWEIS


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Mykines


Bestattung und Totenkult

Mykene Schachtgräber und Schatzhäuser
Tiryns Tholosgrab
Die Nekropole Dendra

BUCHEMPFEHLUNGEN
  • Josef Fischer: Mykenische Paläste: Kunst und Kultur. Philipp von Zabern (2017)
  • J. Lessley Fitton: Die Minoer. Theiss (2004)
  • Zeit der Helden: die "dunklen Jahrhunderte" Griechenlands 1200 - 700 v. Chr. Badisches Landesmuseum Karlsruhe. Primus (2008)
  • Götter und Helden der Bronzezeit. Europa im Zeitalter des Odysseus. Bonn: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland (1999)
  • Richard T. Neer: Kunst und Archäologie der griechischen Welt: Von den Anfängen bis zum Hellenismus. Philipp von Zabern (2013)
  • Katarina Horst u.a.: Mykene. Die sagenhafte Welt des Agamemnon. Philipp von Zabern (2018)
  • George E. Mylonas: Mykene. Ein Führer zu seinen Ruinen und seine Geschichte. Ekdotike Athenon ( 1993)
  • Ingo Pini: Beiträge zur minoischen Gräberkunde. Deutsches Archäologisches Institut (1968)
  • Hans Günter Buchholz: Ägäische Bronzezeit. Wissenschaftliche Buchgesellschaft (1987)
  • Heinrich Schliemann: Bericht über meine Forschungen und Entdeckungen. Fachbuchverlag Dresden (2019)
  • Mykene: Die sagenhafte Welt des Agamemnon. Badisches Landesmuseum Karlsruhe (2018)
  • Louise Schofield: Mykene: Geschichte und Mythos. Zabern (2009)
  • Sigrid Deger-Jalkotzky und Dieter Hertel: Das mykenische Griechenland: Geschichte, Kultur, Stätten. C.H. Beck (2018)
  • Angelos Chaniotis: Das antike Kreta. Beck'sche Reihe (2020)
  • Karl-Wilhelm Welwei: Die griechische Frühzeit: 2000 bis 500 v.Chr. Beck'sche Reihe (2019)
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