Methoden der Erhaltung

METHODEN DER ERHALTUNG ANTIKER STÄTTEN
Nicht selten stellen archäologische Grabungen irreversible Eingriffe in das archäologische Erbe dar, indem sie Fundstellen verändern, ja manchmal sogar zerstören. Die moderne Denkmalpflege hat daher mit Hilfe geeigneter konservatorischer und restauratorischer Maßnahmen die Erhaltung der im Zuge von Grabungen zu Tage geförderten Bodendenkmale langfristig zu gewährleisten. 
Die Konservierung
Die Konservierung stellt die schonendste denkmalpflegerische Maßnahme im Umgang mit Baudenkmälern dar. Dabei sollen Kunstwerke, Bau- oder Bodendenkmäler erhalten und geschützt werden. Hauptsächlich geht es darum, weiteren Materialverlust zu verhindern. Ein Eingreifen in die Bausubstanz ist demgemäß nach Möglichkeit zu unterlassen. Die zur Erhaltung der vorgefundenen Substanz notwendigen Arbeiten umfassen etwa Maßnahmen für die Sicherung der Stabilität, die Errichtung von Bauten zum Schutz vor Witterungseinflüssen, Abdichtungen zum Schutz vor eindringender Feuchtigkeit oder zur Eindämmung des Pflanzenbewuchses.  
Römerstadt Carnuntum Mauerzüge Archäologie Konservierung kavalierstour
Archäologischer Park Carnuntum: Bei den Bereichen, bei denen die archäologischen Befunde nicht ausreichende Rückschlüsse auf die Nutzung der verschiedenen Räume erlauben, beschränkte man sich darauf, die Mauerzüge der Bauten offen zu halten und zu konservieren.
Grundsätzlich ist es leider so, dass sich nach Abschluss der Grabungsarbeiten zwangsläufig konservatorische Probleme ergeben müssen. Im Boden waren die Befunde ja vor Umwelteinflüssen weitgehend geschützt. Nach der Offenlegung sind sie Regen, Schnee, Temperaturschwankungen, Luftfeuchtigkeit und Luftverschmutzung ausgesetzt. Es würde sich daher eigentlich der Gedanke aufdrängen, nach Abschluss der archäologischen Forschung und nach Veröffentlichung der wissenschaftlichen Publikation das freigelegte Gelände wieder zuzuschütten und so den Zustand vor der Grabung wieder herzustellen. (Aus rein wissenschaftlichen Gründen könnte man sogar auf die Präsentation der Befunde, die ja ohnehin nur von Fachleuten zu interpretieren sind, verzichten.)
  • KONSERVIERUNG

    Erhaltung und materielle Sicherung eines bestimmten Zustandes eines Kunstwerks oder eines Baudenkmals. Die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes ist nicht beabsichtigt.

  • RESTAURIERUNG

    Bewahrung und Erschließung der historischen und künstlerischen Werte eines gealterten, beschädigten oder (durch spätere Hinzufügungen) entstellten Werkes der bildenden Kunst oder der Architektur. Die Maßnahmen zur behutsamen Beseitigung der Schäden beschränken sich dabei auf die gefährdeten Teile

  • RENOVIERUNG

    Originalgetreue Instandsetzung eines Bauwerks und Wiederherstellung des ursprünglichen Standes der Nutzbarkeit. 

  • SANIERUNG

    Eingriffe in die historische Substanz,die nötig sind, gefährdete Baudenkmäler vor dem Zerfall zu retten. Häufig überschreiten diese Maßnahmen die Grundsätze von Denkmalschutz und Denkmalpflege gem. der Charta von Venedig. 

  • ANASTILOSIS

    Wiederaufbau eines verfallenen Bauwerks oder Bauteils durch Wiederzusammensetzen vorhandener original erhaltener Materialien oder Elemente, wie z.B. Steine oder Ziegel. 

  • REKONSTRUKTION

    Unter Rekonstruktion versteht man eine möglichst vorbildgerechte Wiederherstellung von Bauteilen bzw. auch den gänzlichen Wiederaufbau eines bereits zerstörten Baudenkmals mit neuen Bauteilen. Bezüglich des Grades der Originaltreue und der jeweiligen Sensibilität bei der Umsetzung der Vorhaben unterscheidet man im Bezug auf die Vorgehensweise zwischen der originaltreuen und der interpretierenden Rekonstruktion. 

Sobald man sich aber dazu entschließt, die freigelegten Mauern zum Zweck einer musealen Präsentation obertägig sichtbar zu erhalten, setzt automatisch der Verfall ein. Wartungs- und Pflegearbeiten sowie in regelmäßigen Abständen notwendig werdende Restaurierungsmaßnahmen sind dann unerlässlich. Das Dilemma dabei: Je dauerhafter man Konservierungsmaßnahmen durchführt, desto mehr geht an der originalen Substanz verloren. Versucht man hingegen die notwendigen Eingriffe so gering wie möglich zu halten, sind die Relikte aus der Vergangenheit schnell wieder renovierungsbedürftig. 
Archäologischer Park Xanten Stadtmauer Turm kavalierstour
LVR-Archäologischer Park Xanten: Teile der Stadtmauer werden mit Hilfe einer Hecke dargestellt. Diese Form der Konservierung, bei der die Befunde unter der Erde bleiben, stellt zweifellos eine praktikable Lösung dar, wenn man ein antikes Mauerwerk unverfälscht erhalten, aber dennoch bestimmte Gestaltungselemente zur besseren Vermittlung und Rezeption musealer Präsentationsinhalte einsetzen möchte.
Will man ergrabenes und nunmehr freiliegendes Mauerwerk sichtbar am originalen Ort belassen, ergeben sich eine Reihe konservierungstechnischer Aufgabenstellungen. Zuerst muss das heutige Laufniveau auf das antike Niveau großräumig abgesenkt werden. Nach der Säuberung der originalen Substanz wird diese mit mechanischen und chemischen Mitteln gefestigt und allenfalls an gefährdeten Stellen ergänzt. Manchmal empfehlen sich auch leichte Aufmauerungen bzw. Begradigungen der Maueroberseiten. Gegebenenfalls werden die solcherart konservierten Mauerreste auch noch mit deckenden Schutzschichten versehen. Derartige Ergänzungen oder Schutzschichten sollten vom originalen Bestand unterscheidbar sein.
Baeolo Claudia Konservierung Archäologie kavalierstour
„Archäologisches Ensemble“ von Baelo Claudia: Nicht immer werden die modernen Standards für die konservatorische Behandlung von archäologischen Funden eingehalten.

Die Errichtung von Schutzbauten
Ohne ständige Konservierungs- und Restaurierungsarbeiten ist also ein freiliegendes antikes Mauerwerk nur schwer zu erhalten. Deshalb liegt es auf der Hand, das freigelegte Gelände mittels einer Dachkonstruktion oder anderen baulichen Maßnahmen kurzfristig oder sogar dauerhaft vor schädlichen Einflüssen zu schützen. Die Arten und Formen von derartigen Konstruktionen reichen von vorübergehenden Schutzmaßnahmen während der Zeit, in der ausgegraben, restauriert oder rekonstruiert wird (z.B. Zelte) bis hin zu ständigen Schutzbauten. 
LVR-Archäologischer Park Xanten: Die Architektur des Thermen-Schutzbaus aus Stahl und Glas ist eine wohldurdachte Mischung aus ursprünglicher Architektur und modernen Schutzbaumaßnahmen. © Bild: Marc Stermann www.air-quad.de. Wikimedia Commons
Die einfachste Variante eines ständigen Schutzbaus ist eine offene Überdachung ohne Bezug auf die freigelegten historischen Dokumente. Obwohl auch diese Variante, die allein dem Schutz der Ruinen dient, einen erheblicher Eingriff in das Erscheinungsbild der gesamten Anlage der historischen Stätte darstellt, wird dabei die Aufmerksamkeit der Betrachter von dem, worum es eigentlich geht, relativ wenig weggelenkt. 

Anders ist es, wenn es bei aufwendigeren architektonischen Lösungen dazu kommt, dass die Architektur des Schutzbaus ein so großes Eigengewicht bekommt, dass der Raumeindruck des modernen Gebäudes weit über die eigentlich geplante Funktion als Hülle für die baulichen Reste einer längst vergangenen Zeit hinausgeht. Dann nämlich kann die moderne Architektur den Betrachter sogar daran hindern, die räumliche Wirkung der historischen Bauwerke zu erfassen.
© Bild: Wikimedia Commons
© Bild: Frank Vincentz, Wikimedia Commons
Deshalb müssen Entwurf und Planung solcher Schutzbauten wohlüberlegt sein. Eine, meiner Meinung nach, besonders gelungene Variante stellt der aus Stahl und Glas errichtete Schutzbau, der über der Badeanlage der Colonia Ulpia Traiana (Archäologischer Park Xanten) nach Abschluss der Grabungsarbeiten errichtet wurde, dar. Der Bau wurde so gestaltet, dass er sowohl die Konstruktionselemente als auch die Größendimensionen des antiken Baus wiedergibt. Die Besucher können somit die ausgegrabenen Originale betrachten und erhalten gleichzeitig die Möglichkeit, eine Vorstellung von den Raumdimensionen zu gewinnen. Wer schon einmal in Trier die Konstantinsbasilika gesehen hat, wird nicht daran zweifeln, dass die Ausmaße des antiken Gebäudes, die hier angedeutet werden, tatsächlich realistisch sind. Trotz aller Begeisterung muss man allerdings zur Vorsicht raten: Der Bau ist zweifellos beeindruckend, er erfüllt auch alle funktionalen und ästhetischen Kriterien. Er spiegelt aber auch den Geschmack der heutigen Zeit wieder. Es kann daher auch sein, dass man dieses Bauwerk in 30 Jahren ganz anders beurteilen wird. Wie auch immer, das antike Mauerwerk wird bis dahin geschützt und der Schutzbau kann jederzeit wieder abgerissen werden.
Athen Platonische Akademie kavalierstour
„Archäologischer Park“ der Platonischen Akademie in Athen: Überdachung einiger Relikte der von Platon im 4. Jh. v. Chr. außerhalb der Stadtmauern gegründeten Philosophenschule. 
Viehmarktthermen in Trier: Der Architekt Oswald Mathias Ungers schuf zur „Ummantelung“ der freigelegten Reste einer römischen Thermenanlage und der Überreste eines in späterer Zeit auf ihrem Gelände errichteten Klosters einen monumentalen Glasbau. In der Fachwelt ist der Bau nicht unumstritten. Und das nicht nur, weil bei der Errichtung dieses Schutzbaus Teile der antiken Substanz unnötigerweise vernichtet wurden. © Bild: Ben Bender. Wikimedia Commons

Die Restaurierung
Leider wird im allgemeinen Sprachgebrauch zwischen „Restaurierung“ und „Rekonstruktion“, von der weiter unten die Rede sein wird, kaum unterschieden. (Auch werden sehr häufig die beiden Begriffe nicht genügend von den Begriffen „Renovierung“ und „Sanierung“ abgegrenzt). 

„Die Restaurierung ist eine Maßnahme, die Ausnahmecharakter behalten sollte. Sie gründet sich auf die Respektierung des überlieferten Bestandes und auf authentische Dokumente. Sie findet dort ihre Grenze, wo die Hypothese beginnt. Wenn es aus ästhetischen oder technischen Gründen notwendig ist, etwas wiederherzustellen, von dem man nicht weiß, wie es ausgesehen hat, wird sich das ergänzende Werk vom baulichen Kontext abheben und den Stempel unserer Zeit tragen.“
Charta von Venedig

Das hat damit zu tun, dass in den Medien immer wieder so oberflächliche Formulierungen wie „erstrahlt in neuem Glanz“ oder „wie neu“ verwendet werden, die von der Öffentlichkeit kaum hinterfragt werden. Dabei ist die Sache gar nicht so kompliziert: Wenn man restauriert, beschränkt man sich auf das, was vorhanden ist, man stellt nicht etwas, das endgültig verloren ist, wieder her (von lat. reconstruare). Man erneuert (von lat. renovare) auch keine grundlegenden Bestandteile und man versucht auch nicht, die Wunden der Zeit zu heilen (von lat. sanare).
Athen Akropolis Nike Tempel kavalierstour
Der Tempel der Athena Nike auf der Athener Akropolis: Das im Jahre 1687 auf Veranlassung der osmanischen Machthaber abgerissene Bauwerk wurde 1836 vom deutschen Archäologen Ludwig Ross, der die Fragmente wieder entdeckte und neu zusammensetzte, an der originalen Stelle neu aufgebaut. In der ersten Hälfte des 20. Jhs. korrigierte man die bei der Zusammensetzung verursachten Fehler und ab 1998 wurde der Tempel neu konstruiert. 2010 wurde diese nunmehr dritte Anastilosis der Öffentlichkeit präsentiert.
Nike-Tempel: Die erste Anastilosis, Aufnahme von 1900 © Bild: Wikimedia Commons
Die Restaurierung (von lat. restaurare) „bewahrt und erschließt“ lediglich die „ästhetischen und historischen Werte des Denkmals“ (Charta von Venedig). Das bedeutet, dass mit Hilfe ergänzender Werke verlorengegangene, verborgene oder zumindest beeinträchtigte Denkmalwerte wieder anschaulich gemacht werden. Die Maßnahmen, die im Rahmen einer Restaurierung getätigt werden, sollen sich auf die wirklich gefährdeten Teile beschränken und Schäden behutsam beheben. Die Restaurierung hat sich jedenfalls „auf die Respektierung des überlieferten Bestandes und auf authentische Dokumente“ zu gründen. Die Wiederherstellung der verloren gegangenen Einheit des historischen Bauwerks ist nicht Ziel der Restaurierungsmaßnahmen. 

Die Anastilosis
Unter Anastilosis versteht man die (teilweise) Wiedererrichtung eines verfallenen historischen Bauwerks am originalen Platz, wobei dessen im Originalzustand erhaltenen Bauteile wieder verwendet werden müssen. Die vorgefundenen Einzelteile werden dabei analysiert, nummeriert und katalogisiert und für den Wiederaufbau verwendet. Zusätzlich notwendige Elemente (z.B. Stahlträger) sollen – falls dies unabdingbar erscheint – möglichst verdeckt durch Originalteile zum Einsatz kommen. 

Gemäß der internationalen Charta von Venedig muss das ursprüngliche Aussehen des Bauwerks vollständig und zweifelsfrei eruiert sein. Von jedem Bauteil muss weiters der ursprüngliche Platz im Bauwerk bekannt sein. Nicht zulässig sind demnach Rekonstruktionsarbeiten im Sinne hypothetischer Ergänzungen. 
Celsus-Bibliothek in Ephesos: Der Archäologe Volker Michael Strocka dokumentierte schon ab 1967 zahlreiche Teile der eingestürzten Fassade der antiken Celsus-Bibliothek in Ephesos, die teils im ganzen Stadtgebiet verstreut lagen und teils nach Izmir gebracht worden waren. Ab 1970 begannen dann die Arbeiten zur Wiedererrichtung der Fassade mit Hilfe von Restauratoren, Studenten und türkischen Arbeitern. © Bild: Wikimedia Commons
BILDNACHWEISE
  • Titelbild:  © Kavalierstour. Mit freundlicher Genehmigung: Römerstadt Carnuntum 
  • Archäologischer Park Carnuntum: © Kavalierstour. Mit freundlicher Genehmigung: Römerstadt Carnuntum 
  • LVR-Archäologischer Park Xanten: © Kavalierstour. Mit freundlicher Genehmigung: LVR-Archäologischer Park Xanten
  • „Archäologisches Ensemble“ von Baelo Claudia: © Kavalierstour
  • LVR-Archäologischer Park Xanten: Luftaufnahme des Römer-Museum Xanten© Bild: By Marc Stermann / Air-Quad UG - http://www.air-quad.de, CC BY-SA 3.0 de. Wikimedia Commons
  • LVR-Archäologischer Park Xanten: Römermuseum des LVR in Xanten © Bild: By Frank Vincentz - Own work, CC BY-SA 3.0. Wikimedia Commons
  • „Archäologischer Park“ der Platonischen Akademie in Athen: © Kavalierstour.
  • Viehmarktthermen in Trier: © Bild: Von Ben Bender, CC BY-SA 3.0. Wikimedia Commons
  • Der Tempel der Athena Nike auf der Athener Akropolis: © Kavalierstour
  • Nike-Tempel: Die erste Anastilosis, Aufnahme von 1900: © Bild: Von Unbekannt - Unbekannt, Gemeinfrei. Wikimedia Commons
  • Celsus-Bibliothek in Ephesos: © Bild: Von rob Stoeltje from loenen, netherlands - DSC00815, CC BY 2.0, Wikimedia Commons
CARNUNTUM SAALBURG XANTEN VILLA BORG HECHINGEN-STEIN
BUCHEMPFEHLUNGEN
  •  Karl Herold: Konservierung von archäologischen Bodenfunden Sondereinband. Böhlau (1994)
  • Winfried Nerdinger: Geschichte der Rekonstruktion - Konstruktion der Geschichte. Prestel (2010)
  • Robert Schediwy: Rekonstruktion: Wiedergewonnenes Erbe oder nutzloser Kitsch? (Architektur und Geschichte). LIT (2011)
  • Walter Hochreiter: Vom Musentempel zum Lernort. Zur Sozialgeschichte deutscher Museen 1800 – 1914. WBG (1998)
  • Alfred Czech u.a.: Museumspädagogik. Ein Handbuch: Grundlagen und Hilfen für die Praxis. Wochenschau Verlag (2014)
  • Gottfried Korff (Hg.) u.a: Museumsdinge: deponieren – exponieren. Böhlau (2006)
  • Köln Rheinland Kultur GmbH (Hrsg.): Colonia Ulpia Traiana. Die römische Stadt: Planung, Architektur, Ausgrabung. B.O.S.S. (2009)
  • Colin Renfrew u.a.: Basiswissen Archäologie: Theorien, Methoden, Praxis Gebundenes Buch. WBG (2012)
  • Katharina Flügel: Einführung in die Museologie. WBG (2014)
  • Tilmann Bechert: Römische Archäologie in Deutschland: Geschichte, Denkmäler, Museen. Reclam (2003)
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