Minoische Paläste

Die minoischen Paläste 
auf Kreta

Bereits in seinem ersten publizierten Grabungsbericht nannte Sir Arthur Evans, der Entdecker der minoischen Kultur, die von ihm freigelegten Reste des monumentalen Bauwerkes, das den Kephala-Hügel in Knossos krönt, „Palast“. Seiner Meinung nach soll hier ein Priesterkönig residiert haben, der - ganz im Stil eines orientalischen Herrschers – sowohl für wirtschaftliche und politische Belange als auch für die Abhaltung religiöser Zeremonien zuständig war. Als aber die seit Ende des 20. Jhs. in Kreta durchgeführten systematischen archäologischen Untersuchungen neben den bereits bekannten vier Palastzentren (Knossos, Phaistos, Malia und Kato Zakros) noch etliche andere „Paläste“ freigelegen bzw. nachträglich in Teilen als solche identifizieren konnten (Gournia), wird die von Evans geprägte Sicht auf die Dinge zunehmend in Frage gestellt. 

Gesichert ist, dass bald nach 2000 v. Chr. in Kreta mehrere große, um einen Zentralhof angelegte Gebäudekomplexe entstanden, die in ihrer architektonischen Gestaltung einem einheitlichen Schema folgen. Offenbar wurde von diesen Zentren aus die Verwaltung größerer Bereiche der Insel organisiert. Zugleich erfüllten die (seit Evans so genannten) „Paläste“, die in städtische Strukturen mit Wohnhäusern, Werkstätten, Heiligtümern und Stadtvillen eingebunden waren, kultische Funktionen und bestimmten maßgeblich das wirtschaftliche Leben. Wie es derzeit den Anschein hat, gab es für diese beeindruckenden Anlagen keine wirklichen Vorläufer. Man nimmt daher an, dass die Entstehung dieser minoischen Paläste ein Resultat einer innerkretischen Entwicklung ist. 

Im 17. Jahrhundert v. Chr. wurden die Paläste auf der ganzen Insel durch eine Erdbebenkatastrophe zerstört. Sehr schnell wurden die Anlagen in nahezu gleicher Weise, allerdings mit noch größerer architektonischer Raffinesse wieder aufgebaut. Gegen 1450 v. Chr. versanken die Paläste samt den umliegenden Städten erneut in Schutt und Asche. Mit einiger Wahrscheinlichkeit könnte dies mit einer Invasion der mykenischen Festlandgriechen in Verbindung zu bringen sein, die seit dem 16. Jh. v. Chr. in Konkurrenz zu Kreta standen. Als schließlich ein Brand, der um 1375 v. Chr. auch noch Knossos, das noch einige Zeit weiter bestand, zerstörte, war das Ende der durch die Paläste geprägten ersten europäischen Hochkultur dann endgültig besiegelt.


Die als „Paläste“ bezeichneten Gebäudekomplexe (Knossos, Phaistos, Malia, Kato Zakros, Galatas, Petras, Monastiraki, die als „kleiner Palast“ bezeichnete königliche Villa in Agia Triada, zum Teil auch Zominthos und das zentrale Gebäude in der Stadt Gournia) weisen jedenfalls viele architektonische Gemeinsamkeiten auf. So besitzen alle u. a. einen nord-süd-gerichteten zentralen Hof, um den sich mehrere Palasttrakte ordnen, Vorratsräume, Wohn- und Kulträume, Verwaltungsstellen und Werkstätte. In der Regel waren sie mehrstöckig. Die Räume im Erdgeschoss sind klein und verwinkelt. Treppenhäuser ermöglichen die Verbindung zwischen den Geschossen. Lichtschächte und Lichthöfe sorgten für die Belichtung und Belüftung der Räume. Auffallend ist, dass keiner der Paläste befestigt war, auch die umliegenden Siedlungen weisen keine Ummauerungen auf. 


DER ZENTRALHOF

Das Herzstück der baulichen Gestaltung eines minoischen Palastes bildet ein rechteckiger, nord-süd-gerichteter Zentralhof, von dem aus sich verschiedene unterschiedlich genutzte Raumeinheiten teils durch direkte Zugänge, teils über Korridore erschließen. Vom Zentralhof aus gesehen muss der Palast durch seine reich gegliederten Fassaden mit Säulen- und Pfeilerstellungen, Loggien und Balkonen eine prachtvolle architektonische Kulisse geboten haben. 

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  • Malia Zentralhof

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  • Phaistos Zentralhof

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DER WESTHOF

Vor der Westfassade mit seinen hohen Sockeln und massiven, durch Vor- und Rücksprünge gegliedertem Mauerwerk lag der gepflasterte Westhof. Typisch für diesen wahrscheinlich rituell genutzten, weiträumigen Hof sind diagonale Wegführungen aus erhöht verlegten Steinplatten. Von der umgebenden Stadt aus gesehen muss diese monumentale Fassade eher abweisend gewirkt haben, zumal es in der Westfassade kein zentral platziertes, monumental gestaltetes Haupttor gab. 

  • Knossos Westhof

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  • Malia Westhof

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  • Phaistos Westhof

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DIE SCHAUTREPPE

Diese großen, flachen Stufenanlagen, die sich am Rand eines größeren freien, unbebauten Platzes befanden, dienten als Versammlungsort. Von dort konnten die Menschen Prozessionen, Opferhandlungen oder ähnlichen Handlungen verfolgen. In architektonischer Form und Funktion stellen diese Schautreppen somit in gewisser Weise eine Vorform der Sitzreihen für Zuschauer in den antiken Theatern dar.

  • Gournia Schautreppe

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  • Knossos Theater

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  • Malia Schautreppe

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DIE TREPPEN

Die Paläste waren mehrstöckig. Deshalb gab es dort viele Freitreppen und auch Treppenhäuser mit einer Plattform auf halber Höhe.

  • Knossos Stufenportikus

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  • Knossos Treppenhaus

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  • Knossos Treppe

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  • Malia Treppe

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  • Phaistos Treppe

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DAS POLYTHYRON

Eingänge und Durchgänge werden häufig in Form von Polythyra, einem Nebeneinander mehrerer, durch pfeilerartige Türpfosten gegliederte Öffnungen gelöst. In den heißen Sommermonaten blieben diese Durchgänge geöffnet, was zu einer guten Belüftung beitrug. In den kalten Wintermonaten bleiben diese „Vieltürer“ geschlossen. 

  • Polythyra Knossos

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  • Malia Polythyra

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  • Phaistos Polythyra

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DIE MAGAZINE

In allen minoischen Palästen gab es Magazine, in denen große Pithoi, Vorratsgefäße für Öl oder Getreide aufgestellt waren. 

  • Knossos Magazine

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  • Malia Magazine

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  • Phaistos Magazine

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DAS LUSTRALBECKEN

Es wird vermutet, dass die sog. Lustralbecken, eingetiefte, mit Steinplatten verkleidete Räume, eine kultische Funktion hatten.

  • Knossos Lustralbecken

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  • Knossos Thronraum

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  • Malia Lustralbecken

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  • Phaistos

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DIE KOULOURES

Arthur Evans nannte die großen, rund ausgemauerten Gruben wegen der ähnlichen Form nach Kouloura, dem runden griechischen Brot, Kouloures. Bezüglich der Funktionen dieser Kouloura gibt es mehrere Theorien. So könnten diese Gruben, die aus der Zeit der ersten Paläste stammen, Abfallgruben für Müll oder Opferrückstände, Zisternen oder auch Getreidespeicher gewesen sein. In zwei Gruben sieht man die Überreste von Gebäuden aus den letzten Jahren der Vorpalastzeit.

  • Knossos Kouloures

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  • Malia Getreidespeicher

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  • Phaistos Kouloures

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DIE KANALISATION

Die Flachdächer, die offenen Korridore, die Innenhöfe, und nicht zuletzt die großen Zentralhöfe erforderten eine Ableitung des Regenwassers, was durch tönerne oder steingefasste Leitungen gewährleistet wurde.

  • Agia Triada

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  • Knossos Kanalisation

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DER FACHWERKBAU

Die Minoer verwendeten sehr häufig Holz, nicht nur zur Herstellung von Fensterrahmen und Türgewänden. Um den Bruchstein- und Lehmziegelmauern zusätzliche Festigkeit und Elastizität zu verleihen, konstruierten sie Fachwerke aus waagerechten und senkrechten Holzbalken. Zwischen den Wandverkleidungen aus Alabaster in Agia Triada sieht man heute noch die Spalten für senkrechte Holzbalken, die die Konstruktion zusammenhielten und ihr besondere Festigkeit und Elastizität verliehen, was bei den häufig vorkommenden Erdbeben nicht ganz unwesentlich war.

Agia Triada

DIE MINOISCHE SÄULE

Auf der nur wenig über den Boden hinausragenden Basis aus Stein ruht eine hölzerne Säule, die sich nach oben hin verbreitert und mit einem runden, wulstförmigen Kapitell, auf dem sich ein rechteckiger Abacus befindet, abschließt. 

Minoische Säule

BILDNACHWEIS



Palast von Malia Villa von Agia Triada Die Hafenstadt Gournia Palast von Knossos Palast von Phaistos

BUCHEMPFEHLUNGEN
  • Im Labyrinth des Minos. Kreta- die erste europäische Hochkultur. Katalog zur Ausstellung des Badischen Landesmuseums 2001
  • Anna Michailidou: Knossos. Ein Führer durch den Palast des Minos. Athen 2006
  • Celestina Milani: Die minoischen Paläste auf Kreta. Manfred Pawlak (1989)
  • J. A. Sakellarakis: Heraklion. Das archäologische Museum. Athen 2006
  • Josef Fischer: Mykenische Paläste: Kunst und Kultur. Philipp von Zabern (2017)
  • J. Lessley Fitton: Die Minoer. Theiss (2004)
  • Zeit der Helden: die "dunklen Jahrhunderte" Griechenlands 1200 - 700 v. Chr. Badisches Landesmuseum Karlsruhe. Primus (2008)
  • Götter und Helden der Bronzezeit. Europa im Zeitalter des Odysseus. Bonn: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland (1999)
  • Richard T. Neer: Kunst und Archäologie der griechischen Welt: Von den Anfängen bis zum Hellenismus. Philipp von Zabern (2013)
  • Katarina Horst u.a.: Mykene. Die sagenhafte Welt des Agamemnon. Philipp von Zabern (2018)
  • George E. Mylonas: Mykene. Ein Führer zu seinen Ruinen und seine Geschichte. Ekdotike Athenon ( 1993)
  • Ingo Pini: Beiträge zur minoischen Gräberkunde. Deutsches Archäologisches Institut (1968)
  • Hans Günter Buchholz: Ägäische Bronzezeit. Wissenschaftliche Buchgesellschaft (1987)
  • Heinrich Schliemann: Bericht über meine Forschungen und Entdeckungen. Fachbuchverlag Dresden (2019)
  • Mykene: Die sagenhafte Welt des Agamemnon. Badisches Landesmuseum Karlsruhe (2018)
  • Louise Schofield: Mykene: Geschichte und Mythos. Zabern (2009)
  • Sigrid Deger-Jalkotzky und Dieter Hertel: Das mykenische Griechenland: Geschichte, Kultur, Stätten. C.H. Beck (2018)
  • Angelos Chaniotis: Das antike Kreta. Beck'sche Reihe (2020)
  • Karl-Wilhelm Welwei: Die griechische Frühzeit: 2000 bis 500 v.Chr. Beck'sche Reihe (2019)
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