Nach dem Niedergang des Römischen Reiches verlor das Forum Romanum seine ursprüngliche Funktion als politisches, religiöses und gesellschaftliches Zentrum der Stadt. Im Mittelalter verwandelte sich das einst prächtige Areal allmählich in eine Weidelandschaft, die als Campo Vaccino („Kuhfeld“) bekannt wurde, da das Gelände vorwiegend als Viehweide genutzt wurde. Die antiken Bauwerke verfielen sowohl durch Vernachlässigung als auch durch gezielte Zerstörungen. Im 12. und 13. Jahrhundert errichtete die einflussreiche römische Adelsfamilie Frangipane, eine der dominierenden Familien jener Zeit, auf dem Forum Romanum eine mächtige Befestigungsanlage. Dazu gehörten ein massiver Turm, eine palastähnliche Struktur und eine weitläufige Barrikade, die sich über Teile des Forums erstreckte.
In der Folge wurden wertvolle Baumaterialien wie Marmor, Travertin und Kalkstein systematisch abgetragen und für neue Bauprojekte wiederverwendet. Marmorskulpturen und dekorative Elemente dienten oft als Rohmaterial und wurden zu Kalk gebrannt. Steine und Säulen fanden in Kirchen, Palästen und Befestigungsanlagen neue Verwendung. Auf dem inzwischen stark erhöhten Bodenniveau, das die verschütteten antiken Strukturen bedeckte, entstanden schlichte Wohnhäuser, die von kleinen Gemüsegärten umgeben waren.
Die von Giovanni Battista Piranesi angefertigte Radierung aus dem Jahr 1740 zeigt eindrucksvoll, wie stark sich das Bodenniveau bis zu diesem Zeitpunkt bereits erhöht hatte. © Bild: Wikimedia Commons
Besonders während der Renaissance nahm der systematische Raubbau am Forum zu. Unter den Pontifikaten von Julius II. (1503–1513) und Leo X. (1513–1521) wurde die Nutzung des Forums als Steinbruch intensiviert, um die ehrgeizigen Bauvorhaben der Päpste zu verwirklichen. Julius II. ließ etwa auch das Kolosseum und andere antike Ruinen gezielt abtragen, um Material für den Neubau von St. Peter und die Errichtung des Palazzo Venezia zu gewinnen. Leo X. setzte diese Praxis fort und nutzte die Ressourcen des Forums, um das Bild der Stadt als Hauptstadt des christlichen Europas neu zu gestalten.
„Man trifft Spuren einer Herrlichkeit und einer Zerstörung, die beide über unsere Begriffe gehen. Was die Barbaren stehenließen, haben die Baumeister des neuen Rom verwüstet.“
Johann Wolfgang von Goethe: Italienische Reise (Rom, den 7. November 1786)
Claude Lorrain: Forum Romanum ca. 1634 Bild: © Wikimedia Commons
Bereits im 15. Jahrhundert zeigten Humanisten wie Poggio Bracciolini Interesse an den antiken Ruinen. Sie suchten nach Texten und Monumenten, die das Wissen über das alte Rom vertieften. Zeichnungen und Skizzen aus dieser Zeit, etwa von Fra Giocondo oder Pirro Ligorio, dokumentierten erste Versuche, die noch sichtbaren Strukturen des Forums zu identifizieren. Dabei wurden einige antike Gebäude wie die Curia oder der Titusbogen noch genutzt oder in die mittelalterliche Architektur integriert.
Giovanni Battista Piranesi: Temple of Castor and Pollux. zw.1771 und 1773 © Bild: Wikimedia Commons
Im 17. und 18. Jahrhundert begannen jedoch ernsthaftere archäologische Bemühungen, insbesondere im Rahmen von Bauprojekten. Papst Urban VIII. (1623–1644) förderte bereits einige erste Ausgrabungsarbeiten. In dieser Zeit wurden auch die ersten Pläne und Karten des Forum Romanum erstellt, die die Grundlage für die späteren systematischen Ausgrabungen bildeten.
Als Johann Wolfgang von Goethe, der übrigens das Forum Romanum in seinen Tagebuchaufzeichnungen mit keinem Wort erwähnt, 1786 nach Rom kam, hatte er die „Historisch-Kritischen Nachrichten von Italien“ von Jacob Volkmann in Händen. In diesem Buch beschreibt der deutsche Schriftsteller, der sich jahrelang auf Reisen durch fast ganz Europa bewegte und dabei besonders Italien, Frankreich und England, auch Spanien und die Niederlande besucht hatte, ziemlich genau, wie sich ihm das Forum Romanum zu der Zeit präsentierte: „Derjenige Platz, oder vielmehr das Feld …. heißt Campo Vaccino, weil der Ochsenmarkt auf demselben gehalten wird. Zu einer so niedrigen und unedlen Bestimmung dient, anitzo der Ort, wo ehemals das berühmte Forum der Römer war, welches von so vielen Männern zum Sammelplatze gedient hat, und wo Cicero und andere Redner sich durch ihre vortrefflichen Reden verewigt haben. …. Der heutige Campo Vaccino ist viel größer, als das alte Forum, indem er bis an den Friedenstempel geht, und einen beträchtlichen Theil der Via Sacra in sich begreift. Der Platz sieht anitzo mehr einem Felde ähnlich, in dessen Mitte unordentlich gepflanzte Bäume eine Art von Allee ausmachen. Auf demselben steht eine Fontaine mit einer Schale von Granit, woraus das Vieh an den Markttagen getränkt wird. Die Säulen und andere Reste sind Beweise der alten Herrlichkeit Roms.“ (Johann Jacob Volkmann: Historisch-kritische Nachrichten von Italien. Band 2. Leipzig 1777)
Obwohl die Bildungsreisenden jener Zeit nur eine sehr vage Vorstellung davon hatten, wie die Bauten an dieser Stelle einst ausgesehen haben könnten – schließlich war das meiste davon unter einer meterdicken Erdschicht begraben – muss dieser Ort auf sie einen tiefen Eindruck gemacht haben. Volkmann drückt es folgendermaßen aus: „Wer seine Empfindungen hat, wird diese Oerter gewiss nie betreten, ohne von einer Art sanfter Traurigkeit hingerissen zu werden, und einen heiligen Schauer zu empfinden.“
Giovanni Battista Piranesi: Veduta dell'Arco di Tito. ca. 1760 © Bild: Wikimedia Commons
Auch die hessischen Landgrafen, insbesondere Friedrich II. von Hessen-Kassel, zeigten im 18. Jahrhundert ein großes Interesse an der Erforschung des antiken Roms, einschließlich des Forum Romanum. Friedrich II. bereiste Rom 1777 und besuchte zusammen mit seinem Gefolge das Forum Romanum. Der Landgraf widmete sich nicht selbst der archäologischen Arbeit, förderte jedoch das Studium und die Dokumentation der antiken Stätten. Sein Engagement spiegelte den aufkommenden Geist der Archäologie und des historischen Bewusstseins wider, der in Europa während der Aufklärung aufblühte.
Christoffer Wilhelm Eckersberg: Another part of Via Sacra that goes by the temple of Romulus and Remus, now the hallway to the church Saints Cosmus and Damianus. 1813-1816. © Bild: Wikimedia Commons
Die ersten archäologischen Ausgrabungen auf dem Forum Romanum wurden Ende des 18. Jahrhunderts unter der Leitung des schwedischen Archäologen Carl Fredrik von Fredenheim durchgeführt. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts begann man dann mit der systematischen Freilegung des gesamten Areals. Im Rahmen dieser Arbeiten wurden auch Gebäude abgerissen, die zum Teil in die antiken Ruinen hineingebaut worden waren. Dabei wurden unter anderem der Saturn- und der Vespasiantempel sowie die Fassade des Tabulariums hervorgehoben und in Szene gesetzt. Auch am Bogen des Septimius Severus wurden tiefere Ausgrabungen vorgenommen. Da jedoch zu dieser Zeit nur punktuelle Ausgrabungen durchgeführt wurden und es nicht gelang, das gesamte Gelände des Campo Vaccino bis auf sein antikes Niveau freizulegen, konnte zu der Zeit noch kein vollständiges Bild vom ursprünglichen Aussehen des Forums in der Antike erstellt werden.
Der Septimius-Severus-Bogen im Forum Romanum. © Bild: Wikimedia Commons
Philippe Benoist - Rome dans sa grandeur - Campo Vaccino (1865) © Bild: Wikimedia Commons
Forum romanum 1880. © Bild: Wikimedia Commons
August Fischer - Prospect from Rome. Arch of Titus with the Colosseo in the background – 1888. © Bild: Wikimedia Commons
Omschrijving: Rome: het Forum Romanum met het Colosseum en de triomfboog van Titus. Italië, ca. 1870-1890. © Bild: Wikimedia Commons
Sommer, Giorgio (1834-1914) - n. 1070 - Tempio di Venere (Roma). © Bild: Wikimedia Commons
Brogi, Giacomo (1822-1881) - n. 1526 - Roma - Foro Romano dall'alto del Campidoglio. © Bild: Wikimedia Commons
Die Arbeiten auf dem Forum Romanum erreichten eine neue Dimension, als Giacomo Boni 1898 die Leitung der Ausgrabungen übernahm. Unter seiner Führung wurden mehrere bedeutende antike Strukturen freigelegt, darunter der Lapis Niger, der traditionell mit den frühen römischen Königen in Verbindung gebracht wird, sowie die Regia, ein zentrales Verwaltungs- und Kultgebäude aus der Königszeit. Diese Funde lieferten entscheidende neue Erkenntnisse zur vorrepublikanischen Geschichte Roms. Boni führte zudem bahnbrechende archäologische Methoden ein, darunter die stratigraphische Grabung, bei der Bodenschichten sorgfältig untersucht werden, um die chronologische Abfolge von Bauphasen und der Nutzung einer Stätte zu rekonstruieren. Er betonte die Bedeutung der gründlichen Dokumentation und Erhaltung selbst kleinster Funde, was die wissenschaftliche Genauigkeit und den langfristigen Schutz der Stätten sicherstellte. Darüber hinaus engagierte er sich für die öffentliche Präsentation und Interpretation des Forums, mit dem Ziel, dieses zentrale Monument der Antike stärker in die nationale Identität Italiens zu integrieren – eine bedeutende Initiative in einer Zeit wachsenden Nationalbewusstseins. Neben den Ausgrabungen widmete sich Boni auch der Konservierung der freigelegten Ruinen. So schützte er beispielsweise Skulpturen mit Abdeckungen und förderte die Einrichtung kleiner, vor Ort befindlicher Museen, wie das Forum Antiquarium.
Im 20. Jahrhundert verlagerte sich der Fokus zunehmend auf die Restaurierung der zuvor entdeckten Gebäude. So stellte Alfonso Bartoli, der von 1925 bis 1945 die Ausgrabungen auf dem Palatin und dem Forum Romanum leitete, die Curia Iulia wieder in ihren antiken Zustand her, indem er sie von mittelalterlichen und barocken Überbauungen befreite. Die restaurierte Curia wurde schließlich am 9. Mai 1939 in ihrem bis heute sichtbaren Zustand eingeweiht. Ein weiterer bedeutender Beitrag stammt von Antonio Muñoz, der die Überreste des Tempels der Venus und Roma restaurierte. Allerdings erlebte das Forum Romanum unter Mussolini eine kontroverse Phase der Restaurierung. Diese war stark von nationalistischer Propaganda geprägt: Monumente wurden freigelegt und teils rekonstruiert, um die Verbindung des faschistischen Regimes zur römischen Vergangenheit zu betonen.
Ancient legends of Roman history (1905). © Bild: Wikimedia Commons
Foro Romano (via) 1971. © Bild: Wikimedia Commons
Heutzutage wird das Forum Romanum weiterhin kontinuierlich untersucht. Moderne Technologien wie 3D-Scanning, digitale Rekonstruktionen und nicht-invasive Methoden wie Bodenradar tragen dazu bei, das Wissen über diese historische Stätte zu erweitern. Archäologen arbeiten daran, die komplexen Nutzungsschichten von der frühen Republik bis zur Spätantike besser zu verstehen.
„Das Vorzüglichste wird zum zweiten- und drittenmal betrachtet, und nun ordnet sich´s einigermaßen. Denn indem die Hauptgegenstände an ihre rechte Stelle kommen, so ist für viele mindere dazwischen Platz und Raum.“
Johann Wolfgang von Goethe: Italienische Reise (Rom, den 16. Februar 1787)
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