Die Geschichte des Palatins ist eng mit der Entwicklung Roms verknüpft und reicht bis in die späte Bronzezeit (ca. 13.–12. Jahrhundert v. Chr.) zurück. Archäologische Funde belegen, dass auf dem Germalus-Hügel, einer zum Tiber abfallende Anhöhe des Palatins, bereits in der frühen Eisenzeit (ca. 10. Jahrhundert v. Chr.) dauerhafte Siedlungen mit stabilen Hütten existierten. Hier lebten latinische und sabinische Hirten und Bauern, die die fruchtbaren Böden nutzten und von der geschützten Lage am Tiber profitierten. Mit der Zeit entwickelte sich aus diesen kleinen Gemeinschaften ein Handelsplatz, der durch die umliegenden Hügel strategisch begünstigt war. Im 8. Jahrhundert v. Chr. könnte der kulturelle Einfluss der Etrusker dazu beigetragen haben, die verstreuten Siedlungen auf dem Palatin zu einer einheitlichen Stadtstruktur zu verbinden.
Parco archeologico del Colosseo. Museo Palatino
Die frühesten erhaltenen Hüttenreste auf dem Palatin stammen aus der Latial-Phase III und datieren in das späte 9. bis 8. Jahrhundert v. Chr., somit in die frühe Eisenzeit. Die Bauweise dieser Hütten entsprach jener der frühen Latial-Kultur: Es handelte sich um einfache Konstruktionen aus Flechtwerk und Lehm mit einem Dach aus Stroh oder Schilf. Diese Bauweise war typisch für die Siedlungen der frühen Eisenzeit in Latium und zeigt enge Parallelen zu den Grabbauten dieser Zeit, insbesondere zu den urnenförmigen Bestattungsgefäßen, die die Form solcher Hütten nachahmen. Eine der bekanntesten archaischen Hütten auf dem Palatin ist die sogenannte
Casa Romuli, die als Wohnstätte des Romulus verehrt wurde. Diese Hütte hatte eine herausragende Bedeutung für die römische Erinnerungskultur. Antike Autoren wie Dionysios von Halikarnassos und Cassius Dio berichten, dass die Casa Romuli über Jahrhunderte hinweg immer wieder originalgetreu restauriert wurde. Die Verehrung der Casa Romuli verdeutlicht die Bedeutung des Palatins als Ursprungsort Roms.
Die Casa Romuli war eine ovale, einräumige Hütte mit Flechtwerkwänden, die mit Lehm verputzt waren, und einem Dach aus Stroh. Sie lag an der Südwestseite des Palatin-Hügels, nahe der Scalae Caci, einer Treppe, die vom Forum Boarium hinaufführte. Ihre Bauweise entsprach den typischen Hütten der Latial-Kultur, wie sie auch in zeitgenössischen, hüttenförmigen Graburnen dargestellt wurden. Parco archeologico del Colosseo. Museo Palatino
Die Republikanische Zeit
Zwischen dem 6. und 4. Jahrhundert v. Chr. wurde der Palatin bereits grundlegend umgestaltet. Archäologische Untersuchungen belegen, dass an seinen Hängen Terrassenanlagen angelegt wurden, um den natürlichen Hügel für spätere monumentale Bauten vorzubereiten. Durch diese gezielten Eingriffe entstanden ebene Flächen, auf denen erste Großbauwerke errichtet wurden – häufig in unmittelbarer Nähe zu Stätten, die eng mit der römischen Gründungslegende verknüpft sind, wie etwa der mythologisch aufgeladenen Lupercalhöhle, in der laut Überlieferung Romulus und Remus gesäugt wurden.
Zahlreiche bekannte Persönlichkeiten der späten Republik hatten hier ihre Residenzen. So besaßen unter anderem Marcus Licinius Crassus, Marcus Tullius Cicero und Clodius Pulcher prachtvolle Villen auf dem Hügel. Diese luxuriösen Anwesen waren nicht nur Wohnsitze, sondern dienten auch als Orte politischer Treffen, gesellschaftlicher Veranstaltungen und wirtschaftlicher Geschäfte. Bild: Parco archeologico del Colosseo. Museo Palatino
Auch prominente Politiker und Redner wie der berühmte Anwalt Quintus Hortensius Hortalus ließen sich auf dem Palatin nieder. Dessen Haus wurde später von Augustus erworben, der selbst bereits ab 36 v. Chr. auf dem Hügel lebte. Mit seinem Aufstieg zum Alleinherrscher des Römischen Reiches ab 31 v. Chr. wurde der Palatin schließlich zum Zentrum der kaiserlichen Macht und verlor seine Funktion als Wohnsitz der republikanischen Aristokratie.
Die Domus Augusti
Schon früh in seiner politischen Laufbahn entschied sich
Octavian – der spätere Kaiser Augustus – dazu, seinen Lebensmittelpunkt am Südwestabhang des Palatinhügels zu errichten. Das ursprüngliche Domizil, das einst dem Konsul und Redner Quintus Hortensius Hortalus gehörte, war zwar wenig geräumig und schlicht eingerichtet – die verhältnismäßig niedrigen Säulen der Portiken zeugten von einem Mangel an opulentem Luxus –, doch seine Lage verlieh ihm eine besondere Bedeutung: Es befand sich in unmittelbarer Nähe zu einem der symbolträchtigsten Orte Roms, der traditionellen Wohnstätte des legendären Stadtgründers Romulus.
Im weiteren Verlauf seiner Karriere kombinierte und gestaltete Augustus vorhandene republikanische Wohnbauten – die ihm, seinen Verwandten oder engen Vertrauten gehörten – und ergänzte sie durch den Bau neuer Strukturen. So entstand ein weitläufiges Residenzviertel, das sowohl private Rückzugsorte als auch öffentliche, kultische und administrative Räume umfasste. Die architektonische Konzeption seiner Residenz wich bewusst von den gängigen Mustern aristokratischer Wohnbauten ab. Anstatt sich in überbordender Pracht zu präsentieren, setzte er auf eine harmonische Synthese bestehender Strukturen, die er durch unterirdische Gewölbegänge – die sogenannten Kryptoportiken – miteinander verband. Diese frühen integrierten Gebäudekomplexe lassen sich archäologisch nur bruchstückhaft rekonstruieren; so war beispielsweise der nördliche Mittelteil des Hauses relativ unprätentiös gestaltet, während der übrige Palastbereich mit großzügigen, in Marmor und kunstvollen Stuckdecken gehaltenen Räumen das prunkvolle Bild eines kaiserlichen Wohnsitzes vermittelte.
Das Haus des Augustus, die sogenannte Domus Augusti, war weit mehr als ein bloßes Wohnhaus – es war ein weitläufiger, palastartiger Komplex auf dem Palatin, der die Macht und den symbolischen Anspruch des ersten römischen Kaisers eindrucksvoll zum Ausdruck brachte. Es diente nicht nur als Wohnsitz, sondern auch als Amtssitz des Kaisers, an dem Senatssitzungen verlegt wurden und der oberste Priester seinen Dienst verrichtete. Bild: . Parco archeologico del Colosseo. Museo Palatino
Der Komplex umfasste neben dem Wohnhaus eine Vielzahl weiterer Bauten, die nahezu den Charakter einer eigenen Stadt verliehen. Ein herausragendes Element war der
Tempel des Apollo, dessen Errichtung – ausgelöst durch einen Blitzschlag im Jahre 36 v. Chr. – eine unerwartete Wendung in der Entwicklung des Palastes markierte. Auf einer erhöhten Terrasse wurde der Tempel aus lunensischem Marmor erbaut. Hier sollten auch die berühmten Sibyllinischen Bücher aufbewahrt werden – ein weiterer Beleg für die enge Verbindung zwischen religiöser Symbolik und kaiserlicher Macht. Die Anlage umfasste zudem eine beeindruckende Portikusanlage, Versammlungssäle und sogar zwei Bibliotheken – eine lateinische und eine griechische –, die zusammen die größte Büchersammlung Roms beherbergten.
Die großzügig gestalteten Räume, die kunstvolle Ausstattung sowie die strategisch platzierten Symbole – wie Lorbeerzweige und der Eichenkranz – unterstrichen die immense politische Bedeutung des gesamten Gebäudekomplexes. Durch die enge Verknüpfung von Wohn-, Kult- und Staatsbauten entstand ein Ort, der gleichermaßen als persönlicher Rückzugsort und öffentliche „Stadt“ fungierte, in der die Macht des Kaisers sichtbar und spürbar wurde.
Nach Augustus' Tod wurde seine Residenz nicht länger als Wohnsitz genutzt. Stattdessen wurde im Zentrum des Anwesens ein Heiligtum errichtet – das Sacrarium Divi Augusti – zu Ehren des vergöttlichten Augustus als Staatsgott. Die unmittelbaren Nachfolger aus der Julisch-Claudischen Dynastie erweiterten das Anwesen, indem sie die Domus Tiberiana integrierten – einen Palastkomplex, dessen Grundstücke bereits zu Augustus' Lebzeiten in seinem Besitz waren und ursprünglich ausschließlich für Mitglieder des Kaiserhauses reserviert wurden.
Die Domus Tiberiana
Kaiser Tiberius wird als Urheber der Domus Tiberiana angesehen. Bereits kurz nach seiner Thronbesteigung im Jahr 14 n. Chr. ließ er in unmittelbarer Nähe zum Haus des Augustus – zwischen dem Tempel der Magna Mater im Süden und dem Forum Romanum im Norden – einen privaten Rückzugsort errichten. Die Bezeichnung „Domus Tiberiana“ selbst taucht jedoch erst im Zusammenhang mit den turbulenten Ereignissen des Jahres 69 n. Chr. auf. Im Kern entstand der Palast vermutlich durch die Zusammenlegung mehrerer spätrepublikanischer Wohnhäuser, die im Laufe der Zeit zu einem weitläufigeren Komplex ausgebaut wurden und eine Grundfläche von etwa 150 × 120 Metern umfassten. Spätere Kaiser, allen voran Caligula, ließen Erweiterungen in Richtung Forum Romanum und entlang des Clivus Palatinus vornehmen.
Die Domus Tiberiana bestand nicht aus einem einzelnen Bauwerk, sondern setzte sich aus mehreren aneinander gereihten Gebäuden zusammen, die im Verlauf der Zeit durch umfassende Mauern und massive Verstrebungen zu einem kohärenten Palastensemble verbunden wurden. Zum Komplex zählten vermutlich ein aufwendig gestalteter Peristylgarten, ein großes Auditorium für öffentliche Versammlungen sowie ein privater Flügel, der wegen seines Panoramablicks auf Rom geschätzt wurde. Während der Regierungszeit Neros – der möglicherweise einen monumentalen Umbau initiierte – wurden die ursprünglichen Bestandteile zu einem noch eindrucksvolleren Bauwerk integriert, das als Kernstück der späteren Domus Aurea gedient haben könnte.
Nach den verheerenden Bränden in den Jahren 64 und 80 n. Chr. ließ Domitian umfangreiche Restaurierungsarbeiten durchführen. So wurde etwa die dem Forum Romanum zugewandte Fassade erneuert, wobei die Domus Tiberiana in gewisser Weise als Vorbau zu seinem eigenen Palast, der Domus Augustana, diente. Auch Hadrian leistete einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung: Er errichtete mächtige Arkaden, die den Clivus Victoria – einen der vier Zugangswege auf den Palatin, der auf der nordwestlichen Seite des Hügels verläuft – überspannten und so die Palastfassade bis an die Via Nova des Forums führten. Diese Arkaden verwandelten den Clivus Victoria in eine überdachte Straße – eine architektonische Neuerung, die den Palast quasi mit der Stadt verband.
Die beeindruckenden Überreste der Domus Tiberiana zeugen von ihrer einstigen Pracht: Entlang der zum Forum Romanum hin ausgerichteten Hügelkante ragen etwa 20 Meter hohe Mauern empor – im Wesentlichen der Palastkeller –, während die einstigen Wohn- und Repräsentationsräume heute unter den Farnesischen Gärten begraben liegen. Nach den verheerenden Bränden von 64 und 80 n. Chr. ließ Domitian die Fassade zum Forum hin wieder errichten. Unter Kaiser Hadrian wurden auf dem nordwestlichen Abhang des Palatins die mehrgeschossigen Arkaden realisiert, die die hohe Palastfassade harmonisch in die Via Nova einfügen und zugleich zu einer monumentalen Hintergrundkulisse für das Forum Romanum avancieren.
Obwohl die einst prachtvolle Residenz im Laufe der Jahrhunderte in Vergessenheit geriet, war sie bis ins 8. Jahrhundert bewohnt. Papst Johannes VII. residierte dort, da sein Vater Curator der Kaiserpaläste war. Schließlich verfiel der Palast und wurde geplündert.
Die Domus Transitoria
Vor dem Großen Brand Roms im Jahr 64 n. Chr. konzentrierte sich
Kaiser Neros Bautätigkeit vornehmlich auf den Palatin. Dabei ließ er die bestehenden Anlagen seiner Vorgänger zu einem zusammenhängenden Palastkomplex verschmelzen. Im Zentrum dieses Komplexes stand – nach derzeitiger Forschungstendenz – die sogenannte Domus Tiberiana, von der angenommen wird, dass sie den alten Wohnbereich des Augustushauses mit der Via Sacra, dem bedeutendsten Zeremonialweg Roms, verband. Ergänzt wurde das Ensemble durch einen Bereich südlich des Apolloheiligtums, der sich durch eine besondere Pracht auszeichnete – wenngleich sich die genaue Ausdehnung dieses Areals unter der heutigen Domus Flavia nicht abschließend rekonstruieren lässt.
Einige archäologische Interpretationen, die unter anderem auf Funde aus dem Jahr 2009 zurückgehen, deuten auf außergewöhnliche architektonische Elemente hin. So wird gelegentlich berichtet, dass im oberen Bereich des Palastkomplexes ein großer Festsaal existierte, der angeblich auf einer drehbaren Säule montiert war und den Gästen einen 360°-Blick über die Stadt ermöglichte. Dieser Befund – der die technische Raffinesse und den luxuriösen Anspruch Neros unterstreichen sollte – ist allerdings umstritten und bedarf weiterer Untersuchungen, um eine eindeutige Bestätigung zu erhalten.
Die Funktion und exakte Lage der Domus Tiberiana innerhalb des Palastkomplexes ist weiterhin Gegenstand intensiver Forschung. Eine verbreitete, wenn auch nicht unumstrittene Interpretation sieht sie als verbindendes Element zwischen dem Augustushaus und der Via Sacra. Den Überresten der sogenannten Domus Transitoria, die sich unter dem Triklinium des flavischen Palastes befinden, wird das Palastareal Neros auf dem Palatin zugerechnet. In der Zeichnung sind neben den Bauten auf dem Palatin auch die weitläufigen Anlagen der sogenannten Domus Aurea dargestellt – dem „Goldenen Haus“ des Kaisers, das nach dem Brand Roms im Jahr 64 n. Chr. errichtet wurde. © Bild:
Wikimedia Commons
Die prunkvollen Anlagen Neros auf dem Palatin sollten letztlich nicht von Dauer sein. Nach seinem Tod wurde im Rahmen politischer Neuausrichtungen und baulicher Umgestaltungen unter seinen Nachfolgern versucht, jede Spur seiner Herrschaft zu tilgen. In der Folge wurden viele seiner Bauten systematisch abgebaut, geplündert oder durch neue Bauwerke ersetzt, sodass von den ursprünglichen Anlagen nur noch Fragmente erhalten geblieben sind. Dazu zählen beispielsweise der Komplex um ein Grottennympheum, der fälschlicherweise als „Bagni di Livia“ bezeichnet wird, sowie ein 130 Meter langer Gang, der als „Neronischer Kryptoportikus“ in die neronische Zeit datiert wird.
Der Flavische Palast: Domus Flavia, Domus Augustana, Stadion
Zu Beginn seiner Herrschaft im Jahr 81 n. Chr. leitete
Kaiser Domitian ein ehrgeiziges Bauprogramm ein, das den Grundstein für einen neuen kaiserlichen Palast auf dem Palatin legte. Für diese repräsentative Residenz wählte er den höchsten Punkt des Hügels – einen Standort, der sowohl strategisch als auch symbolisch für die Macht des Kaisers von zentraler Bedeutung war. Um ausreichend Raum zu schaffen, wurde die natürliche Senke zwischen den beiden Gipfeln des Palatins aufgeschüttet, was das ursprüngliche Landschaftsbild grundlegend veränderte und ältere, dortige Bauten verdrängte.
Der imposante flavische Kaiserpalast gliederte sich in drei deutlich abgegrenzte Bereiche: Die
Domus Flavia im westlichen Teil diente als offener repräsentativer Bereich und Zentrum der offiziellen Amtsgeschäfte. Die
Domus Augustana, in der zentral gelegene private Wohn- und Gemächereinheit, bot dem Kaiser und seiner Familie Rückzugsräume abseits der offiziellen Repräsentation. Das
Stadion im östlichen Sektor, ein weitläufiger Raum, wurde unter anderem für sportliche und zeremonielle Anlässe genutzt.
Der Severische Komplex (Domus Severiana)
Der Begriff Domus Severiana bezeichnet den letzten baulichen Ausbau der kaiserlichen Palastanlagen auf dem Palatin, der vor allem unter
Kaiser Septimius Severus (193–211 n. Chr.) maßgeblich vorangetrieben wurde. Um den begrenzten Raum des Hügelmassivs optimal auszunutzen, errichtete man an der Südecke des Palatins – auf einer künstlich geschaffenen Terrasse, die durch massive Backsteinunterbauten entstand – einen neuen Palastflügel. Während von der eigentlichen Überbauung heute kaum noch Reste erhalten sind, zeugen die unterirdischen Strukturen mit ihren doppelten, gewölbten Elementen und ausgeklügelten Substruktionen eindrucksvoll vom technischen und architektonischen Einfallsreichtum der damaligen Zeit. Von dieser erhöhten Lage eröffnete sich zudem ein Panorama, das den Blick vom Circus Maximus über den Aventin bis zu den Caracalla-Thermen freigab.
Durch den Einsatz technisch ausgefeilter Unterbauten, imposanter Arkaden und luxuriöser Thermenanlagen gelang es Septimius Severus, nicht nur den begrenzten Raum optimal zu nutzen, sondern zugleich ein architektonisches Statement zu setzen, das den kaiserlichen Anspruch und die Machtinszenierung im antiken Rom eindrucksvoll zum Ausdruck brachte. Ein Seitenarm der Aqua Claudia – dessen Bögen teilweise noch erhalten sind – speiste diese Anlagen und verband so den Palastkomplex harmonisch mit dem umliegenden Stadtbild.
Das Elagabalium
An der südöstlichen Ecke des Palatins, im heutigen Viertel Vigna Barberini, entstand während der kurzen Herrschaft
Kaiser Elagabals (218–222 n. Chr.) das sogenannte Elagabalium – ein Zentrum des umstrittenen Kults des syrischen Sonnengottes Elagabal, dessen Hohepriester der Kaiser selbst war. Auf einem etwa 160 × 110 Meter großen Grundstück ließ Elagabalus einen imposanten peripteralen Tempel mit einer Grundfläche von circa 70 × 40 Metern errichten. Dabei folgte der Neubau auf mehrere Umbauphasen: Zunächst stand an dieser Stelle ein luxuriöses Wohnhaus aus der Zeit Augusts, dessen Überreste später als Fundament für weitere Bauwerke dienten. Zwischen 81 und 96 n. Chr. ließ Domitian hier eine Tempelplattform errichten – möglicherweise als Kultstätte für Jupiter –, deren Reste noch heute an der nordöstlichen Palatinecke erkennbar sind. Gegen Ende des 2. Jahrhunderts wurden die bisherigen Bauten abgerissen, um Raum für einen monumentalen Neubau zu schaffen, in den das Elagabalium integriert wurde. Dieser umfassende religiöse und repräsentative Komplex prägte das Stadtbild Roms nachhaltig.
Im Bereich südlich des Tempels lagen zwei prächtig gestaltete Gartenanlagen, die durch einen breiten, gepflasterten Weg voneinander getrennt waren. Ein Garten maß etwa 17 × 20,5 Meter, während der andere mindestens 24 Meter lang war – möglicherweise erstreckte sich seine Länge ununterbrochen über rund 42 Meter. Eine Allee aus weißen Marmorplatten verband die Gärten mit dem Tempel und unterstrich so den repräsentativen Zugang vom Tempelbereich zum kaiserlichen Palast. Neuere archäologische Ausgrabungen legen zudem nahe, dass auf der Nordseite des Tempels noch zwei weitere, vergleichbar gestaltete Gartenbereiche existiert haben könnten.
Der Verfall
Mit dem Zerfall des Weströmischen Reiches und den Wirren der Spätantike gerieten die einst prächtigen kaiserlichen Anlagen auf dem Palatin zunehmend in Vergessenheit. Über Jahrhunderte hinweg verfielen die monumentalen Bauwerke, während der Hügel im mittelalterlichen Rom vor allem als Steinbruch diente – eine wichtige Quelle für Baumaterial, das in zahlreichen neuen Bauprojekten Verwendung fand. Zahlreiche Überreste der antiken Paläste wurden dabei neu genutzt, etwa als Festungsmauern, Klosteranlagen oder als Zufluchtsorte in Zeiten politischer Instabilität. So wandelte sich der einst glanzvolle Sitz kaiserlicher Macht in eine Landschaft, in der sich die Spuren vergangener Größe heute nur noch in fragmentarischen Ruinen offenbaren.
Erst im Zeitalter der Renaissance, als das Interesse an der antiken Vergangenheit wieder auflebte und die Ideale der klassischen Antike neu zu pulsieren begannen, rückte der Palatin erneut ins Rampenlicht. Adelsfamilien und Mäzene erkannten den unschätzbaren kulturellen Wert dieser historischen Stätte und leiteten eine kunstvolle Umgestaltung ein. Ab dem 16. Jahrhundert gelangte der Hügel in den Besitz der Familie Farnese, die ihm durch gezielte Restaurierungen und die Anlage prächtiger Gärten neues Leben einhauchte.
Die Farnesischen Gärten
Zwischen 1542 und 1579 erwarb
Alessandro Farnese
mehrere Weingärten, die auf den Ruinen des Tiberius-Palastes errichtet waren. Er ließ das Gelände mit Erde auffüllen und schuf so eine weitläufige Anlage, die das Ideal der Renaissance-Gartenkunst verkörperte. Bereits 1548 ging das Anwesen an seinen jüngeren Bruder Ottavio Farnese, Herzog von Parma und Piacenza, über, der den Ausbau weiter vorantrieb.
Die Gärten waren in klassische Quadranten mit einem zentralen Brunnen eingeteilt – eine Anlehnung an römische Peristylpaläste. Die terrassenförmige Anlage erstreckte sich über mehrere Ebenen: Von einer Terrasse zur nächsten führten Stufen, vorbei am kunstvoll gestalteten Ninfeo della Piogga (einem Nymphäum) und endeten im Teatro del Fontanone, einem repräsentativen Eingang. Im Zentrum befand sich eine Casina mit in Fresken erstrahlten Innenräumen, die auch Volieren beherbergte und dem Ensemble einen Hauch Exotik verlieh. Teilweise fügten sich antike Reste der Domus Tiberiana, unterirdische Gänge und ausgewählte Skulpturen in das Gesamtkonzept ein und betonten so die Symbiose von Natur, Kunst und Geschichte. © Bild:
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Neben ihrer architektonischen und botanischen Pracht diente die Anlage als Ort geselliger Zusammenkünfte. Die Familie Farnese veranstaltete hier opulente Gastmahle vor der erhabenen Kulisse antiker Ruinen und des Forum Romanum. Es wird vermutet, dass der Garten sowohl Nutz- als auch Zierpflanzen beherbergte und mit kunstvoll gestalteten Grotten sowie bewachsenen Pergolen akzentuiert war. Klare Strukturen, symmetrisch angelegte Terrassen, Alleen, Rasenflächen sowie Elemente wie Springbrunnen, Wasserspiele und klassische Statuen sollten den Glanz und die Ordnung vergangener Zeiten widerspiegeln.
Der Palatin zur Zeit der Grand Tour
Im Zeitalter der
Grand Tour
präsentierte sich der Palatin als ein faszinierendes Ensemble aus antiken Ruinen und kunstvoll angelegten Renaissance-Gartenanlagen. Reisende sahen hier die Überreste einst mächtiger kaiserlicher Residenzen, deren verfallene Mauern und zerfallene Paläste in malerischer Romantik aufgingen. Gleichzeitig waren Elemente wie die Farnesischen Gärten – mit ihren terrassenförmigen Anordnungen, zentralen Brunnen und kunstvoll gestalteten Nymphäen – noch sichtbar und verliehen dem Ort eine gepflegte, fast idealisierte Atmosphäre.
Diese Mischung aus überwucherten Ruinen, restaurierten Gartenarealen und beeindruckenden Ausblicken auf das Forum Romanum vermittelte den Grand Touristen ein Gefühl der Erhabenheit und Melancholie. Der Palatin wirkte wie ein lebendiges Denkmal der Vergangenheit, an dem sich die Glanzzeiten Roms mit dem unvermeidlichen Verfall der Zeit vermischten – ein Bild, das den Geist der Antike eindrucksvoll heraufbeschwor und ihn zu einem zentralen Ziel der europäischen Bildungsreisen machte.
„Abends .. gingen wir in die Gärten auf dem Palatin, wodurch die Räume zwischen den Ruinen der Kaiserpaläste urbar und anmutig gemacht worden. Dort genossen wir der reizenden Zeit nach Herzenslust.“
Johann Wolfgang von Goethe