Zu den herausragenden Bauwerken im Archäologischen Park gehören der sogenannte Merkurtempel, eine monumentale Kuppelstruktur, die ursprünglich Teil eines Thermalbades war, sowie der sogenannte Venus-Tempel und der Diana-Tempel, ebenfalls Kuppelbauten, die eindrucksvoll die architektonische Meisterschaft der Römer demonstrieren.
Baiae, ursprünglich der Hafen der 740 v. Chr. von griechischen Kolonisten gegründeten Stadt Cumae, war schon früh für seine heißen Quellen bekannt. Ab dem 1. Jh. v. Chr. entwickelte sich die am nordwestlichen Rand des Golfs von Neapel gelegene Stadt rasch zu einem beliebten Kur- und Erholungsort. Hier ließen bedeutende Persönlichkeiten des römischen Reiches prunkvolle Luxusvillen errichten und verbrachten ihren Urlaub oder ihre letzten Lebensjahre. Bekannte Namen wie Marius, Lucullus und Pompeius zählten zu den regelmäßigen Gästen, und auch Julius Cäsar besaß eine Villa in Baiae. Mitte des 1. Jhs. n. Chr. ließ Nero hier eine bemerkenswerte Villa errichten, in der übrigens Hadrian 138 n. Chr. starb. Auch von Septimius Severus ist bekannt, dass er sich zumindest zeitweise in Baiae aufhielt.
Mit seiner malerischen Bucht, den Thermalquellen und den üppig bewachsenen Hügeln zog Baiae die römische Elite in seinen Bann, ein Interesse, das also über die Jahrhunderte hinweg anhielt. Kein Wunder, dass der Dichter Horaz die Schönheit von Baiae lobte und meinte, „keine Bucht der Welt“ übertreffe ihre „liebliche Schönheit“ (Epistulae I, 1,83).
Der mondäne Luxusort Baiae entwickelte sich auch zu einem Experimentierfeld für innovative, raffinierte und kühne architektonische Lösungen. So entstand hier beispielsweise der sogenannte Merkurtempel, dessen Kuppel exakt halb so groß ist wie die des Pantheons. Sie wurde mit derselben Bautechnik errichtet, weshalb der Merkurtempel von Baiae als Prototyp des Pantheons gilt.
„Dort erlaubt sich die Ausschweifung am meisten, dort gibt sie sich, als wäre dem Ort eine besondere Freizügigkeit geschuldet, noch mehr Hemmungslosigkeit hin.“
Seneca: Epistulae Morales – Epistula 51
Nicht unerwähnt soll allerdings bleiben, dass Baiae bereits in der republikanischen Ära für den äußerst freizügigen Lebensstil seiner Bewohner und Gäste berüchtigt war. Der Ort war bekannt für seine rauschenden Feste, bei denen es oft nicht nur um Geselligkeit ging, sondern auch um exzessiven Konsum von Wein, Speisen und körperlichem Vergnügen. Die Villen der Reichen boten die perfekte Kulisse für solche Gelage. Dieser Ruf führte dazu, dass konservative Römer die Stadt kritisierten und sie als Symbol für den moralischen Verfall des Römischen Reiches betrachteten. Der Dichter Properz nannte Baiae "ein Nest des Lasters". Suetonius und andere römische Historiker beschrieben die Stadt ebenfalls als Ort des moralischen Verfalls. Seneca bezeichnete Baiae sogar als eine Herberge des Lasters ((deversorium vitiorum).
„Wenn eine unverheiratete Frau ihr Haus allen Begierden öffnet und sich öffentlich dem Leben einer Dirne hingibt, wenn sie es sich zur Gewohnheit macht, an Gelagen völlig fremder Männer teilzunehmen – sei es in der Stadt, in Gärten oder in der Berühmtheit von Baiae –, und wenn sie sich schließlich nicht nur durch ihren Gang, sondern auch durch ihre Kleidung und ihr Gefolge so verhält, als gehöre sie diesem Lebensstil an ......“
Cicero: Pro Caelio 49
Zwischen dem 3. und 4. Jh. n. Chr. verursachte dann das für das Gebiet der Phlegräischen Felder typische Phänomen des Bradyseismos (allmähliches Heben und Senken der Erdoberfläche) den langsamen Verfall der Häfen, Villen und Gebäude und trug zur Entvölkerung der Region bei.
Der Archäologische Park der Terme di Baia
Auf dem rund 40.000 Quadratmeter großen Areal wurden Mitte des 20. Jahrhunderts zahlreiche archäologische Überreste eines terrassenförmig angelegten Thermenkomplexes entdeckt. Dieser Komplex stellt jedoch kein einheitliches Bauwerk dar, sondern besteht aus fünf verschiedenen Sektoren, die zu unterschiedlichen Zeiten entstanden sind. Diese Bereiche sind bekannt als der Terrassenkomplex (Villa dell'Ambulatio), die Merkur-Thermen, die unteren Thermen, die Sosandra-Thermen und die Venus-Thermen. Besonders sehenswert sind die Überreste von drei Kuppelbauten, die gemeinhin als „Tempel“ bezeichnet werden, in Wirklichkeit aber Teil der Thermenanlagen waren.
Die Villa dell'Ambulatio
Die Bausubstanz der Villa Ambulatio ist teilweise gut erhalten. Die ursprüngliche Struktur geht auf das späte 2. und frühe 1. Jh. v. Chr. zurück, doch das heutige Erscheinungsbild wird aufgrund der Bautechnik allgemein auf das 1. n. Chr. datiert. Jh. n. Chr. datiert. Zunächst als große Thermenanlage angesehen, wurde sie aufgrund der besonderen Anordnung der Gebäude auf einer Reihe von zum Meer hin abfallenden Kellern allgemein als Terrassenanlage definiert. Erst in jüngster Zeit wurde der gesamte Komplex als Villa identifiziert, die Ambulatio genannt wurde, nach dem lateinischen Namen der für römische Villen typischen Säulenhalle, die von den wohlhabenden Eigentümern zum Spazierengehen, Lesen und Müßiggang genutzt wurde.
Auf der obersten Terrasse befand sich der Wohnbereich mit einem großem Panoramasaal, einem schönen Innenhof und einem Apsidensaal. Die zweite Terrasse wurde von dem überdachten Säulengang mit zwei Längsschiffen, nach dem die Villa heute benannt ist, eingenommen. Entlang der Westseite öffnete sich in der Mitte ein großer Raum mit rechteckigem Grundriss mit Exedra und drei Nischen an den Seitenwänden.
Die sechs Terrassen sind über Treppen miteinander verbunden.
Auf der dritten Terrasse gab es einen Garten. Die vierte Terrasse war für das Dienstpersonal vorgesehen. Nach unten ging es weiter zu einem Bereich, in dem wahrscheinlich weitere Aufenthalts- und Ruheräume. untergebracht waren. Die letzte Terrasse darunter war zum Meer hin offen. Vielleicht gab es hier einen Garten, der von einer Kolonnade umgeben war.
Die Venus-Thermen und der „Tempel der Venus“
Am südlichen Rand des archäologischen Parks liegt ein weiterer beeindruckender Gebäudekomplex, der vor allem durch seine zahlreichen Thermalbäder hervorsticht. Aufgrund der aufwendigen Stuckverzierungen, die in mehreren Räumen entdeckt wurden, wird dieser Bereich oft als Venus-Thermen bezeichnet. Der Komplex setzt sich aus mehreren Baukernen verschiedener Epochen zusammen, die auf drei Hauptebenen verteilt sind und in terrassenartiger Anordnung zum Meer hin ausgerichtet sind.
Der wohl bedeutendste Raum dieses Badekomplexes, der zusammen mit weiteren Gebäuden (auf der gegenüberliegenden Seite der heutigen Küstenstraße) vermutlich einen großen Teil der antiken Stadt Baiae einnahm, war das imposante gewölbte Bauwerk, das heute als „Tempel der Venus“ bekannt ist. Der Name leitet sich von einer Statue der Göttin ab, die angeblich dort entdeckt wurde. Das Gebäude stammt wahrscheinlich aus der Zeit des Kaisers Hadrian, worauf seltene architektonische Merkmale hinweisen, die es mit anderen Bauwerken Hadrians, insbesondere seiner Villa in Tivoli, gemeinsam hat. Von außen war das Gebäude rechteckig und wies acht große Bogenfenster auf. Im Inneren befand sich eine kreisförmige Kuppel mit einem Durchmesser von 26,30 Metern.
Der Sosandra-Komplex
Die gesamte Anlage, die ihren Namen einer 1953 dort gefundenen Statue der Aphrodite Sosandra verdankt, ist ebenfalls terrassenförmig angelegt. Auf der obersten Terrasse (A) befanden sich die Unterkünfte der Bediensteten, auf der zweiten (B) die eigentlichen Wohnräume mit einer Reihe von Räumen, die auf ein großes Peristyl hinausgingen. Die dritte Terrasse (C) weist eine halbkreisförmige Struktur auf, die als Theater-Nymphäum interpretiert wird. Auf der unteren Terrasse (D) schließlich ist ein großes Schwimmbad oder ein Garten zu erkennen, der von einem Portikus mit mehreren Räumen umgeben ist.
Im Laufe seiner langen Geschichte hat sich die Nutzung dieses Gebäudekomplexes wahrscheinlich mehrmals verändert. Im 1. Jh. v. Chr. diente es vermutlich als private Villa eines wohlhabenden Senators. Zur Zeit Neros wurde die Villa in ein Ebeterion umgewandelt, das den Seeleuten der nahegelegenen Flotte von Misenum als Erholungsort diente. Im 2. Jahrhundert n. Chr. fand das Gebäude möglicherweise als Luxushotel für Besucher der Thermen Verwendung.
Besonders bemerkenswert ist die halbkreisförmige Struktur auf der dritten Terrasse (C), die von fünf gewölbten Räumen überragt wird. Diese Räume waren ursprünglich hinter einer mit Nischen und Säulen geschmückten Fassade verborgen. Direkt darunter befand sich ein großer halbkreisförmiger Portikus, der aus kleinen Bögen und falschen Säulen bestand. Eine Nutzung als Theater-Nymphäum wurde vorgeschlagen, muss jedoch noch genauer untersucht werden. Später wurde der Halbkreis, ebenso wie der Portikus im Untergeschoss, durch das Einfügen von Trennwänden umgestaltet, um zusätzliche Räume zu schaffen. Der zentrale Raum, der sich auf der Mittelachse des gesamten Komplexes befindet, war offenbar ein Nymphäum, aus dem Wasser in einen großen, runden Außentank floss.
Auf der unteren Ebene (D) umrahmt ein Portikus einen großen offenen Bereich, der zunächst als sehr großer Pool gedeutet wurde, jedoch möglicherweise besser als Garten vorstellbar ist. Es ist wichtig zu betonen, dass dieser Bereich nie vollständig ausgegraben wurde und das heutige Bodenniveau deutlich höher liegt als das ursprüngliche. Dies wird besonders deutlich an den Gewölben mehrerer Räume, die sich noch unter Wasser befinden und kaum über dem Boden sichtbar sind.
Der Portikus, in dem sich noch einige Fresken erhalten haben, wurde später durch lange Mauern verengt, um den Raum in separate Räume zu unterteilen.
Der Merkur-Komplex und der „Tempel des Merkur“
Dieser Bereich befindet sich am nordöstlichen Ende des archäologischen Parks und erstreckt sich von der letzten Terrasse der Villa dell'Ambulatio bis zur modernen Eisenbahnlinie Neapel-Cuma.
Der seit dem Mittelalter bekannte Ort erregte bereits im 18. Jahrhundert die Aufmerksamkeit der Reisenden, vor allem wegen der beeindruckenden Kuppelstruktur, die sie „Tempel des Merkur“ nannten.
Abraham-Louis-Rodolphe Ducros: Baia, interno del cosiddetto Tempio di Mercurio 1794
In Wirklichkeit handelt es sich natürlich nicht um einen religiösen Bau, sondern um einen Teil der Thermen, vermutlich ein Kaltwasserbad (Frigidarium). Der Name „Merkurtempel“ ist eine spätere Bezeichnung, die dem Bauwerk in der Neuzeit aufgrund seines monumentalen Charakters gegeben wurde.
Der „Tempel des Merkur“, der im 1. Jh. v. Chr. erbaut wurde, beeindruckt besonders durch seine massive Kuppel, die einen Durchmesser von etwa 21,5 Metern hat. Diese Kuppel gilt als eine der größten und technisch fortschrittlichsten ihrer Zeit und diente als architektonisches Vorbild für spätere Kuppelbauten wie das Pantheon in Rom. Die Kuppel ist mit einer zentralen Öffnung (Oculus) versehen, durch die Licht ins Innere fiel, was typisch für römische Kuppelbauten dieser Art war. Das Bauwerk ist ein hervorragendes Beispiel für die technische Meisterschaft der römischen Ingenieure, insbesondere im Umgang mit Beton und Kuppelarchitektur. Die Akustik innerhalb der Struktur ist bemerkenswert, was darauf hindeutet, dass es möglicherweise auch für musikalische Darbietungen genutzt wurde.
Der „Tempel der Diana“
Der „Tempel der Diana“ aus dem 3. Jh. n. Chr. war wie der "Tempel des Merkur" kein religiöser Tempel, sondern gehörte ebenfalls zu den luxuriösen Thermenkomplexen, für die Baiae berühmt war. Von der kreisförmigen Spitzbogenkuppel mit einem Durchmesser von etwa 29,5 Metern ist heute nur noch ein Teil erhalten. Das imposante Gebäude diente einst als Dampfsauna, in der die heißen Dämpfe aufgefangen wurden, die aus dem Boden aufstiegen.
Mentnafunangann: Tempio di Diana (Baia). © Bild: Wikimedia Commons
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Parco archeologico delle Terme di Baia