Marcellustheater

Das Theater des Marcellus

Das Marcellustheater befindet sich im heutigen Viertel Rione Sant’Angelo, unweit des Tiberufers und des Kapitols. Der Bau wurde ursprünglich von Julius Caesar initiiert, jedoch erst unter Kaiser Augustus zwischen 13 und 11 v. Chr. vollendet. Augustus widmete das Theater seinem früh verstorbenen Neffen und designierten Erben, Marcus Claudius Marcellus. Mit einer Kapazität von etwa 15.000 Zuschauern war es bei seiner Eröffnung das größte Theater in Rom. Heute sind lediglich Teile des Bauwerks erhalten, darunter die unteren Arkaden und Teile der Außenmauern. Dennoch vermittelt das gut erhaltene Mauerwerk einen Eindruck von der ursprünglichen Größe und Bedeutung dieses Bauwerks, welches ein bedeutendes Zeugnis römischer Kultur und Architektur darstellt.

Die Reisenden der Grand Tour bewunderten das Marcellustheater als eines der bedeutenden antiken Monumente Roms, das ein eindrucksvolles Symbol für die Kontinuität der römischen Zivilisation darstellte. Besonders beeindruckte die Kombination aus antiker Substanz und deren späterer Umnutzung als mittelalterliche Festung und Renaissance-Palast. Diese Verschmelzung verschiedener Epochen sprach vor allem jene an, die in Rom ein lebendiges Zeugnis seiner ewigen Geschichte suchten. So hob etwa Richard Lassels (1603–1668) die Symmetrie und Erhabenheit des Theaters hervor, während Johann Wolfgang von Goethe die Verbindung zwischen römischer Vergangenheit und neueren architektonischen Überformungen lobte. 


Die Geschichte des Marcellustheaters reicht bis in die späten Jahre der Römischen Republik zurück. Julius Caesar initiierte Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. die Planungen für das Theater, nachdem er ein großzügiges Gelände im nördlichen Bereich des antiken Gemüsemarkts (Forum Holitorium) und in unmittelbarer Nähe zum Apollo-Tempel (Apollo Sosianus) erworben hatte. In dieser Zeit galt das Theater des Pompeius, das sich ebenfalls auf dem Campus Martius befand, als das größte und prächtigste Theater Roms. Caesar strebte nach seinem Sieg über Pompeius in den Machtkämpfen um Rom an, ein mindestens ebenso beeindruckendes Bauwerk zu schaffen.

Theater des Pompeius (55 v. Chr.): Das erste permanente Steintheater in Rom. Es wurde von Pompeius Magnus auf dem Campus Martius erbaut und bot Platz für etwa 17.500 Zuschauer. Es war ein ehrgeiziges Projekt und diente als Modell für spätere Theaterbauten. Um das religiöse Verbot dauerhafter Theater zu umgehen, wurde es mit einem angeschlossenen Venus-Tempel kombiniert. Vor den Steintheatern waren temporäre Holzbauten üblich. Diese wurden für bestimmte Festspiele, wie die Ludi Romani, errichtet. Ein Beispiel ist das Theater, das 179 v. Chr. von Marcus Aemilius Lepidus und Marcus Fulvius Nobilior errichtet wurde. Diese Konstruktionen waren allerdings nicht dauerhaft und wurden nach den Spielen wieder abgebaut. © Bild: Wikimedia Commons

Für die Wahl des Bauplatzes sprach auch die Nähe zum Theatrum et Proscaenium ad Apollinis, einem älteren Theater, das in Verbindung mit dem Apollotempel stand. Dieses Theater ergänzte die sakrale Funktion des Tempels durch eine kulturelle und gesellschaftliche Komponente. Die Bühne (Proscaenium) diente als Plattform für dramatische Aufführungen und kultische Zeremonien, insbesondere während der Ludi Apollinares, einem Fest zu Ehren des Gottes Apollo. Von diesem Theater haben sich allerdings kaum physische Überreste erhalten, die Informationen darüber stützen sich weitgehend auf antike Quellen wie Livius und spätere archäologische Hypothesen.


Caesar erlebte die Fertigstellung des von ihm initiierten Theaters jedoch nicht, da er kurz nach Beginn der Bauarbeiten ermordet wurde. Nach seinem Tod kam das ambitionierte Projekt zunächst vollständig zum Stillstand. Erst mehr als 20 Jahre später griff Kaiser Augustus die Pläne wieder auf und setzte die Arbeiten fort. Der Bau des imposanten Gebäudes schritt rasch voran, sodass im Jahr 17 v. Chr. bereits Teile des Theaters für die Feierlichkeiten der Ludi Saeculares genutzt werden konnten. Das Theater wurde schließlich im Jahr 13 v. Chr. fertiggestellt und im darauffolgenden Jahr, 12 v. Chr., von Augustus offiziell eingeweiht. Er widmete das Bauwerk seinem früh verstorbenen Neffen Marcus Claudius Marcellus, der ursprünglich als sein Nachfolger vorgesehen war und im Jahr 23 v. Chr. in Baiae starb. 

Reconstruction of the Monuments of the Circus Flaminius (Gatteschi, 1907): Die Zeichnung zeigt eine historische Rekonstruktion mehrerer Bauwerke, die mit dem Circus Flaminius im antiken Rom in Verbindung stehen. Sie illustriert den kulturellen und politischen Charakter dieses Bereichs im Campus Martius. Rechts im Bild ist das Marcellustheater  zu sehen, eines der bedeutendsten antiken Theater Roms.

Das Marcellustheater ist ein herausragendes Beispiel römischer Theaterbaukunst und diente später als Inspirationsquelle für das Kolosseum. Anders als griechische Theater, die meist in natürliche Hanglagen integriert wurden, waren römische Theater wie das des Marcellus freistehend und dank innovativer Bautechniken äußerst stabil. Das Bauwerk wurde vorwiegend aus Tuffstein und Beton errichtet, der mit dem charakteristischen opus reticulatum-Muster verblendet war. Darüber hinaus kamen erstmals gebrannte römische Ziegel zum Einsatz, die die Konstruktion zusätzlich festigten. 


Das Theater erreichte eine Höhe von etwa 33 Metern und hatte einen Durchmesser von 130 Metern. Ein komplexes System aus gewölbten Gängen, Arkaden, Korridoren und Rampen gewährleistete den Zugang zur halbkreisförmigen Sitztribüne (Cavea). Der Zuschauerraum mit einem Durchmesser von 130 Metern bot Platz für rund 15.000 Besucher; bei besonders starkem Andrang konnten sogar bis zu 20.000 Menschen untergebracht werden. (Grundriss des Marcellustheaters: © Bild: Wikimedia Commons)

Die Außenfassade aus Travertinstein zeigt zwei Stockwerke mit Bögen: Im unteren Bereich sind dorische Säulen zu sehen, darüber befinden sich ionische. Das dritte Stockwerk, das vermutlich korinthische Säulen aufwies, ist nicht mehr erhalten. 

Marcellustheater Rom

Ab dem 4. Jahrhundert erfolgte keine weitere Nutzung des Theaters. Das Bauwerk wurde als Steinbruch genutzt. Im 12. Jahrhundert erfolgte eine Umgestaltung des ehemaligen Theaters in eine Festung durch die Familie Fabii bzw. Faffi, welche im Ende des 14. Jahrhunderts an die Familie Savelli überging. Im 16. Jahrhundert errichtete man auf den Fundamenten des Theaters unter Einbeziehung der wenigen erhaltenen Teile einen Palazzo im Renaissancestil, der 1712 von der Familie Orsini übernommen wurde, welche bis in die 1930er Jahre Eigentümer blieb. In der Folge wurden die Arkaden von den dort hineingebauten Wohnungen und Werkstätten befreit.

Zu Goethes Zeit lag das Theater des Marcellus in einer dicht besiedelten, urbanisierten Zone nahe dem jüdischen Ghetto, das damals noch existierte. Die umliegenden antiken Straßen waren teils verfallen, teils überbaut, doch die markante Kurve der Theaterfassade blieb ein prägendes Element der Umgebung. Goethe erlebte das Theater als eine beeindruckende Mischung aus antiker Pracht und nachträglichen Überformungen. Es war ein Symbol römischer Baukunst und zugleich ein Zeugnis der fortwährenden Nutzung und Anpassung im Lauf der Jahrhunderte. Diese Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart spiegelte die Faszination vieler Grand-Tour-Reisender für Rom wider: eine Stadt, in der die Geschichte lebendig blieb und mit der Gegenwart verschmolz.

Heute können Besucher die erhaltenen Arkaden und Travertinwände bestaunen, die noch von der einstigen Pracht zeugen. 

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Die drei Säulen neben dem Marcellustheater gehören zu den Überresten des Tempels des Apollo Sosianus. Ursprünglich im 5. Jahrhundert v. Chr. erbaut, wurde der Tempel später unter Augustus grundlegend umgestaltet. Der Apollotempel war dem Gott der Künste und der Heilung gewidmet und diente als bedeutendes religiöses und kulturelles Zentrum. Heute sind lediglich drei korinthische Säulen erhalten, die die einstige Pracht des Bauwerks erahnen lassen. Der Tempel des Apollo Sosianus war eng mit dem Marcellustheater verbunden, da Augustus die räumliche Nähe nutzte, um den Bereich zu einer kulturellen und politischen Repräsentationszone zu entwickeln. Gemeinsam bildeten das Theater und der Tempel ein Ensemble, das kaiserliche Propaganda und religiöse Bedeutung miteinander verband. 


Der Tempel der Bellona, der sich ebenfalls in der Nähe befand, war ein Heiligtum zu Ehren der römischen Kriegsgöttin Bellona. Dieser Tempel wurde 296 v. Chr. von Appius Claudius Caecus nach einem Sieg über die Etrusker errichtet. Seine Bedeutung lag vor allem in der Durchführung römischer Kriegsrituale und Zeremonien. Heute sind keine eindeutigen Überreste des Tempels mehr sichtbar, da das Gebiet stark überbaut wurde. Historische Quellen und Rekonstruktionen lassen jedoch auf seine strategische und kulturelle Rolle in der unmittelbaren Nachbarschaft des Marcellustheaters und des Apollotempels schließen.

Marcellustheater und Tempel des Apollo Sosianus

Im Vordergrund sieht man die Stelle, an der sich wahrscheinlich der Tempel der Bellona befand. Dahinter erheben sich die drei Säulen des Tempels des Apollo Sosianus. 

Das Theater des Marcellus

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Teatro di Marcello

BUCHEMPFEHLUNGEN

 

  • Jessica Maier u. a.: Rom - Zentrum der Welt: Die Geschichte der Stadt in Karten, Plänen und Veduten. ‎ Theiss in Herder (2022)
  • Christoph Höcker: Reclams Städteführer Rom. Architektur und Kunst. Reclam (2020)
  • Christoff Neumeister: Das antike Rom: Ein literarischer Stadtführer. Beck (2010)
  • Henner von Hesberg: Römische Baukunst. Beck (2005)
  • Klaus Grewe: Aquädukte: Wasser für Roms Städte. Regionalia (2019)   
  • Jonathan Boardman: Rome: A Cultural History.  Interlink Books (2007)
  • Jon Coulston & Hazel Dodge: Ancient Rome: The Archaeology of the Eternal City. Oxford University School of Archaeology (2000)
  • Marco Bussagli: Rome: Art and Architecture. Konemann (2010)
  • Filippo Coarelli: Rom: Der archäologische Führer. WBG (2019)
  • Ingemar König: Caput Mundi: Rom - Weltstadt der Antike. WBG (2009)
  • Peter Connolly und Hazel Dodge: The Ancient City: Life in Classical Athens & Rome. Oxford University Press (1998)
  • Anton Henze: Kunstführer Rom. Reclam (1994)
  • Heinz-Joachim Fischer: Rom. Zweieinhalb Jahrtausende Geschichte, Kunst und Kultur der Ewigen Stadt. DuMont (2001)
  • Karl-Joachim Hölkeskamp und Elke Stein-Hölkeskamp (Hrsg.): Erinnerungsorte der Antike. Die römische Welt. Beck (2006)
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